Süddeutsche Zeitung

Ski-Plakat:Zu nackt für die Piste

Nach massiver Kritik hat der Österreichische Skiverband ein Werbeplakat für ein Frauenrennen zurückgezogen. Christian Ludwig Attersee, der das Plakat entworfen hat, versteht das nicht.

Von Max Sprick

Christian Ludwig Attersee, 78, hat sich in den Sechzigern einen Namen als Pop-Art-Künstler erarbeitet. Mit Werken, die er "Gegenstandserfindungen" nannte, die aber in Erotik und Alltag angesiedelt waren. Nun beruft sich der Österreicher auf eine Vergangenheit, die weiter zurückliegt - das Mittelalter. Seit damals sei es "Ausdruck der Stärke der Frauen gegenüber der kriegerischen Männerwelt", wenn Frauen ihre nackte Brust zeigen. Im Wiener Kunsthistorischen Museum seien außerdem "auf jedem zweiten Bild entkleidete Frauen" zu sehen.

Weswegen Attersee nicht versteht, dass sein jüngstes Werk in Österreich gerade für gehörige Aufregung sorgt: Ein Plakat für den Ski-Weltcup am Semmering, das eine nackte Frau auf Skiern zeigt, flankiert von aufgespießten Tierköpfen und einem Mond, der ihr zwischen die Beine blickt.

Seit 1996 entwirft Attersee Plakate für den österreichischen Skiverband (ÖSV), auch freizügige, wie für die WM 2013. Ein Plakat, das die österreichische Post sogar als Briefmarke vertrieb. Seitdem aber ist rund um den ÖSV einiges ans Licht gekommen. Seit etwas mehr als einem Jahr gibt es Enthüllungen über sexuelle Übergriffe im alpinen Skirennsport. Ehemalige Rennfahrerinnen hatten öffentlich gemacht, von Trainern belästigt oder gar vergewaltigt worden zu sein.

Vertrauen in ihre Umwelt

In dieser Situation mit einer nackten Frau für ein Skirennen zu werben, erregt entsprechende Kritik. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hatte das Plakat am 3. Dezember auf Facebook gepostet. Hämisch wird es dort unter anderem als "die niederösterreichische Antwort auf ein Jahr, in dem sexuelle Übergriffe im Schisport endlich aufflogen" bezeichnet. Inzwischen hat der ÖSV gleich zwei Mal reagiert. Zunächst hieß es, man habe die Beschwerden "mit Betroffenheit und ein wenig Erstaunen zur Kenntnis genommen", schrieb ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner an den Werberat und Mikl-Leitner. "Es lag uns wirklich fern, mit der Arbeit eines bedeutenden Künstlers die Befindlichkeit von Betrachtern in irgendeiner Weise zu verletzen."

Die Poster, die zwei Frauen-Rennen am 28. und 29. Dezember bewerben, sollten aber hängen bleiben. Die Verbindung von Kunst und Sport sei "wertvoller Beitrag zur Stärkung der Bedeutung und Annerkennung des Damen-Rennsports". Am Montagabend scheint die Kritik aber zu heftig geworden zu sein. Um "jegliche weitere Irritation zu vermeiden" habe sich der ÖSV entschlossen, Attersees Plakat zurückzuziehen, schreibt Leistner nun. Der Verband sei zuversichtlich, dass sein Bedauern und "ergriffene Maßnahmen anerkannt werden". Bedauern ist ein Begriff, der Attersee eher fern liegt. "In einer Welt, die von Pornografie in der Öffentlichkeit besetzt ist, bin ich sehr froh, dass ich mit meiner Kunst eine dem entgegengestellte Sicht der Darstellung der Frauenwelt anbieten kann", hatte Attersee im Schreiben an Werberat und Mikl-Leitner mitgeteilt.

Sein Motiv, schreibt Attersee, zeige eine Sportlerin in voller Aktion, "die Nacktheit schenkt ihr Vertrauen in ihre Umwelt". Dadurch erreiche sie eine märchenhafte Pose. Klingt nach einem Frauenbild, das noch weiter zurückliegt als das Mittelalter.

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SZ vom 19.12.2018/ick
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