Rauchverbot in Österreich:Das Ende der Qualmerei

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Szenen wie diese gehören in Österreich bald der Vergangenheit an: Vom 1. November an ist Schluss mit dem Qualmen in der Gastronomie. (Foto: AFP)

Österreich hat ein Vierteljahrhundert gebraucht, um ein Rauchverbot in der Gastronomie durchzusetzen. Am 1. November tritt es nun in Kraft. Die Wirte jammern - und feiern, dass es etwas zu jammern gibt.

Von Peter Münch, Wien

Discokugeln hängen an der Decke der Kaktusbar, die Regale hinter der halbrunden Theke sind bestens sortiert. "Bermudadreieck" heißt das kleine Ausgehviertel im 1. Wiener Gemeindebezirk. Kommentieren muss man das nicht, aber klar ist, dass hier getrunken, geraucht und auf den Bänken getanzt wird, und das seit 30 Jahren. "Der Kaktus ist die Mutter aller Stimmungskneipen", sagt der stolze Wirt Franz Aibler. "Fast jeder Wiener hat schon mal eine Nacht im Kaktus gefeiert." Kulturgut also - und akut bedroht.

Die Bedrohung kommt nach Ansicht Aiblers und Tausender anderer Wirte aus der Politik, vom Gesetzgeber also, der nach nicht einmal einem Vierteljahrhundert der kulturkämpferischen Debatten nun auch in Österreich ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie einführt. Vom 1. November an ist Schluss mit dem Pofeln, und Aibler sieht Grund zur Klage: "Man fühlt sich im Stich gelassen, alles Unpopuläre wird auf die Wirte abgewälzt."

Lärm durch rauchende Kneipenbesucher

Geklagt hat er gegen das Rauchverbot auch vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof. Als Speerspitze einer Initiative von etwa 2500 Wirten wollte er noch in letzter Minute eine Ausnahmegenehmigung erreichen für die Nachtgastronomie, für kleine Bars und große Clubs also. Hauptargument ist die zu erwartende Lärmbelastung für die Anwohner, wenn sich die Raucher vor den Kneipen sammeln. Die Wirte haben ausgerechnet, dass dann plötzlich des Nachts eine dampfende Menge von 50 000 Menschen auf der Straße steht, verteilt aufs ganze Land allerdings. Doch die Richter haben die Beschwerde abgewiesen, und Aibler sagt schulterzuckend: "Natürlich werden wir uns jetzt alle ans Gesetz halten."

Alles andere dürfte ihn auch teuer zu stehen kommen, weil die für die Umsetzung des Rauchverbots zuständige Wiener Stadträtin harte Strafen und vor allem "keine Schonfrist" angekündigt hat. Von 1. November um null Uhr und eine Sekunde an könnte sie ihre Kontrolleure losschicken. Bei der ersten Anzeige sind 800 Euro fällig, im Wiederholungsfall 10 000 Euro - die Rechnung zahlt der Wirt. Der einzelne Rauchsünder kommt mit 100 Euro beim ersten Mal davon.

Die Nacht auf den 1. November wird also eine denkwürdige Nacht werden in der Kaktusbar, und obendrein ist auch noch große Halloween-Party. "Wir begehen das Rauchverbot mit einer Art Zeremonie", erklärt Aibler: "Um kurz vor zwölf werden die Aschenbecher eingesammelt, dann starten wir einen Countdown und ein Mitarbeiter geht mit dem Sektkübel rum, um die letzten Kippen einzusammeln."

Das Rauchverbot - ein ständiges Hin und Her

So wird in Wien noch jede schöne Leich zu Grabe getragen, und nach den langen Jahren des Streits zeigt sich dabei auch eine gewisse Ermüdung auf allen Seiten. Es war ein zäher Zermürbungskampf, den die Verfechter des "freien Tschickistan" - Tschick ist die Zigarette in Österreich - verloren haben. Die Genese ist so wahrscheinlich nur in Österreich möglich, ein Hin und Her mit ständig neuen Volten: Schon 1992 waren die ersten Vorhaben zum Rauchverbot in der Gastronomie vom damaligen Gesundheitsminister präsentiert worden.

Seit 2010 sind getrennte Bereiche für Raucher und Nichtraucher vorgeschrieben. 2015 einigte sich die damalige rot-schwarze Regierung auf ein generelles Rauchverbot, das aber erst zum 1. Mai 2018 in Kraft treten sollte. Kurz davor wurde durch eine neue Regierung aus ÖVP und FPÖ das Kippenverbot wieder gekippt. Ein von Krebshilfe und Ärztekammer initiiertes Nichtraucher-Volksbegehren wurde daraufhin von fast 900 000 Menschen unterzeichnet, und als die türkis-blaue Koalition am Ibiza-Skandal zerbrach, verloren auch die Raucher ihren Schutzpatron Heinz-Christian Strache. Gegen die Stimmen der FPÖ beschloss das Parlament dann ruckzuck Anfang Juli das Verbot zum 1. November - und zwar so rigide, dass keine Ausnahmen vorgesehen sind.

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"Ibiza ist auch unser Untergang", sagt Jakob Baran. Früher hat er erfolgreich American Football gespielt, in die Weltauswahl berufen mit 19 Jahren. Doch nach einer schweren Verletzung war die Karriere zu Ende, und er eröffnete eine Shisha-Bar im Donauzentrum, einer Einkaufsmall in Wien-Kagran. Süßer Rauch zieht nun durchs "Titan", und über Jakob Baran hängen dunkle Wolken. "Wir haben auch Snacks und Drinks, aber zu uns kommen die Menschen wegen der Wasserpfeife", sagt er, "das macht 60 Prozent unseres Umsatzes aus." Das Rauchverbot bedrohe seine Existenz.

Auch Baran hat eine Klage eingereicht vor dem Verfassungsgerichtshof, im Namen der VSBÖ, der Vereinigung der Shisha-Bar Betreiber Österreichs. "8000 Arbeitsplätze hängen da bei uns dran", sagt er, "ein Drittel der Shisha-Bar-Betreiber hat schon ihr Lokal inseriert." Unter dem Strich ist er zwar optimistisch, unter Auflagen wie in vielen deutschen Bundesländern eine Sonderreglung für Shisha-Bars zu erreichen. Das Problem ist nur, dass sich die Verfassungsrichter wohl erst in einigen Monaten mit dem Fall befassen. "Unsere Angst ist, dass wir dann eine Branche retten, die es nicht mehr gibt."

Shisha-Bars, Spiegel der Gesellschaft

Baran preist die Shisha-Bars als "Schmelztiegel" an, als Ort, an dem Altwiener und Nahöstler zusammenkommen. "Hier spiegelt sich die ganze Gesellschaft", sagt er, "und wer einmal ins Titan kommt, kommt immer wieder." Die Gäste geben ihm Recht. Hinten im Eck sitzen schmauchend Verena Konrad und Stefan Baumgartner. Das Titan ist ihr Stammlokal, "Trauben-Minze" ihr Wasserpfeifentabak-Favorit. "Beim ersten Mal sind wir um 15 Uhr gekommen und um zwei Uhr nachts wieder raus", sagt sie. "Die Leute sind locker hier, das Shisha-Rauchen schafft so eine entspannte Atmosphäre", meint er. Für die Nacht zum 1. November haben sie schon einen Tisch reserviert im Titan. Ob sie danach wiederkommen? "Dann rauchen wir unsere Shisha daheim", sagt sie.

Für die Wirte und ihre rauchende Kundschaft also markiert der 1. November eine Zeitenwende, und für Oswald Täubl, den Wirt der Kantine im 9. Bezirk, muss das dann trotz allem auch ein bisschen gefeiert werden. "Am 1. November swingen wir ins Nichtraucher-Dasein", steht auf einer Konzertankündigung am Lokaleingang. "Wenn ich mich schon so dermaßen bestimmen lassen muss, dann will ich auch einen Spaß haben", sagt er.

In der Kantine direkt neben dem Schauspielhaus genießt sein, wie er sagt, "sehr künstlerisches Publikum" gute Musik und gutes thailändisches Essen, gut geräuchert allerdings. "Von unseren Stammgästen sind sicher 80 Prozent Raucher und gern Raucher", sagt er. "Aber dass es zu Mega-Einbußen kommt, das glaube ich nicht." Die einen, so hofft er, gehen halt raus zum Rauchen, und andere kommen rein, die sonst wohl nicht gekommen wären. "Wir haben für November schon viele Reservierungen von Leuten, die sagen, endlich seid ihr auch was für Nichtraucher."

Täubl will nun übrigens auch mal wieder einen Versuch unternehmen, das Rauchen aufzugeben. "Aber nicht, weil es jetzt das Gesetz gibt", sagt er. "Der Anlass ist, dass ich das selber will, das andere ist mir zu blöd."

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© SZ vom 30.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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