Wortwitze im öffentlichen Raum:Der heitere Mistkübel

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Die Idee dürfte aus Deutschland kommen, doch origineller sind die Aufschriften in Wien. (Foto: Manfred Segerer/imago images)

In Wien wurden gerade neue Aufschriften für städtische Mülleimer vorgestellt. Es zeigt sich: Nirgendwo ist der Umgang mit der deutschen Sprache origineller als in Österreich.

Von Martin Zips, München

Pflegt man in Wien einen originelleren Umgang mit der deutschen Sprache? "Ich lese, bis ich verwese", solche Taschen gibt es am Zentralfriedhof zu kaufen. "Ich nasche, bis ich verasche." Und vor der Karlskirche fanden sich jüngst öffentliche Toilettenwagen mit der Aufschrift: "Nur keine Zurückhaltung. Ein Wagen für Groß und Klein. Zum Austreten, bitte eintreten!"

Seit 2009 setzt die österreichische Hauptstadt auch auf ihren 21 000 öffentlichen Mülleimern auf besondere sprachliche Kreativität: "Brauche mehr Input", heißt es dort, oder "Bin für jeden Dreck zu haben". "Nach unseren Erkenntnissen werden auffällige Papierkörbe von den Menschen häufiger verwendet als unauffällige", erklärt Sandra Holzinger vom zuständigen Stadtreferat MA 48. Nun sind neue Sprüche hinzugekommen: "A echter Wiener haut nix runter" etwa, "Halt die City pretty" oder "Mir schmeckt's halt". Natürlich muss an dieser Stelle auch auf lautmalerisch interessante Ansätze im bayerischen Straubing ("Von Beruf Dreck-Queen"), im hessischen Hanau ("Haste mal 'ne Kippe?") oder im sächsischen Chemnitz ("Net gläggorn!", "Nicht kleckern!") hingewiesen werden. Wobei "Ka Mü auf der Mahü" vielleicht doch eine Spur raffinierter ist ("Kein Müll auf der Mariahilfer Straße"), aber das hat freilich auch mit dem "Österreichischen Deutsch" zu tun, welches der Sprachforscher Johann Siegmund Popowitsch bereits im 18. Jahrhundert bewundernd beschrieb.

Wichtig für die bestmögliche Entfaltung des Sprachwitzes sei auch der Bezug zum Standort, erklärt Holzinger. Vor Wiener Behörden finden sich daher Sprüche wie: "Sinnlose Anträge hier einbringen!", vor Schulen: "Frau Fessor, der Kübel hat meine Hausübung g'fressn!" ("Frau Fessor" ist die österreichische Kurzform der Lehrerinnenanrede "Frau Professorin"). Vor Konzerthäusern steht: "Heute: Concerto in D-Müll", an Straßenbahnhaltestellen: "I TRAM von Mist" und vor ehemaligen k.u.k. Immobilien: "Königlich-Kaiserlicher Hofkübel". Ähnlich wie in Berlin, wo man bereits Ende der Neunzigerjahre Straßenfeger mit dem Aufdruck "We kehr for you" beglückte, werden auch in Wien Stadtviertel thematisiert: "Alsergrund hält's Klima g'sund" oder "Simmering ist Umwelt-King". In Berlin heißt oder hieß es auf öffentlichen Mülleimern: "Friedrichsrein" oder "Blanco Pankow".

Insgesamt kommt Wien mit seinen Mistkübeln tatsächlich deutlich origineller daher als Berlin ("Eimer ist immer der Arsch") oder auch Oldenburg ("Schlag mir den Bauch voll", "Gib mir den Rest", "Ich fress Dir aus der Hand"). Liegt es daran, dass, wie der Sprachwissenschaftler Joachim Grzega meint, "in Österreich auch Sprachformen in manchen formellen Kontexten akzeptiert werden, die in Deutschland als zu informell angesehen werden"?

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Die Idee zur heiteren Beschriftung der Tonne jedenfalls dürfte am Ende dann doch eher aus Deutschland stammen. In München hieß es bereits zur Fußball-WM 2006: "Ich bin ein Cleansmann". Später machte die Münchner Straßenreinigung mit absichtlich falsch getrennten Wortsilben auf den Sinn der Mülltrennung aufmerksam: "Nude-lauflauf". Nun, oftmals ist es ja schon der Versuch, der zählt.

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