Ölpest vor der US-Küste:"Top Kill" und kein Ende

Die Zitterpartie dauert an: Während BP im Kampf gegen die Ölpest weiter auf die Operation "Top Kill" setzt, besucht der unter Druck geratene US-Präsident an diesem Freitag erneut die Krisenregion am Golf von Mexiko.

Der Ölkonzern BP ist bei seinen Bemühungen vorangekommen, die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zu stoppen: Laut Konzernchef Tony Hayward verläuft die Aktion Operation "Top Kill" bisher "ziemlich gut, ganz nach Plan".

Gulf Oil Spill

Naturkatastrophe live: Auf der Webseite des Energiekonzerns BP können Besucher beobachten, wie versucht wird, das Bohrloch am Meeresgrund zu verschließen. Bislang steht allerdings noch nicht fest, ob die jüngste Rettungsaktion "Top Kill" ein Erfolg war.

(Foto: ap)

Bei der Aktion "Top Kill" wird Spezialschlamm in das Bohrloch-Leck in 1500 Metern Tiefe gepumpt; das Schlamm soll das Leck stopfen. Zudem werde das Loch nun auch mit Gummiresten und Faserabfällen gefüllt, teilte Hayward mit. Ob die Methoden Erfolg haben, ließe sich aber frühestens in 48 Stunden sagen.

Der Müll solle als Art "Brücke" dienen, um darauf weiteren Schlamm zu pumpen. Dies solle noch im Verlauf des Tages geschehen. Nach Angaben des Leiters der Küstenwache, Admiral Thad Allen, scheint die bisherige "Top Kill"-Methode tatsächlich zu funktionieren. Aus dem Leck trete kein Öl und Gas mehr aus. "Die echte Herausforderung ist es aber, den Gegendruck so lange aufrechtzuerhalten, dass sie das Leck mit einem Zementverschluss versehen können".

Immense Kosten

Die Kosten der größten Ölkatastophe in der Geschichte der USA belaufen sich laut dem britischen Konzern bisher auf 930 Millionen Dollar (759 Millionen Euro). In der Summe enthalten seien die Kosten für den Schutz der Küsten vor dem austretenden Öl, für die Reinigung und die Versuche, das lecke Ölbohrloch abzudichten sowie Entschädigungszahlungen. Wie hoch die Gesamtkosten für BP ausfallen werden, sei noch nicht abzusehen.

Am Freitag wollte sich US-Präsident Barack Obama bei einem zweiten Kurzbesuch in der Krisenregion erneut ein Bild von der Lage machen und mit Experten sprechen. Am Donnerstagabend hatte der zunehmend unter Druck stehende Präsident dem Sender CNN zufolge gesagt: "Ich übernehme die Verantwortung. Es ist mein Job, sicherzustellen, dass alles getan wird, das zu beenden."

Für den Fall des Scheiterns von "Top Kill" stehen BP zufolge bereits Ersatzmethoden bereit. Darunter ein zweiter "Blowout Preventer", der auf den ersten gesetzt werden kann, um den Ölfluss zu stoppen. Zudem sei ein 1,50 Meter hoher Zylinder aus Stahl einsatzfertig, der über das größere von zwei Lecks in einem Steigrohr gestülpt werden könnte, aus denen seit mehr als vier Wochen das Öl ins Meer strömt. Über eine Leitung an dem Zylinder könnte das aufgefangene Öl-Wasser-Gemisch nach oben in ein Schiff gepumpt werden. Vor mehr als drei Wochen war das Ölunternehmen mit einem ähnlichen Versuch gescheitert.

Schlimmste Ölpest aller Zeiten

Experten der US-Regierung sprechen derweil von der schlimmsten Ölpest, die es je in den USA gegeben hat. Sie korrigierten die Schätzungen über die Menge des austretenden Öls dramatisch nach oben. Seit dem Sinken der Bohrinsel Deepwater Horizon am 22. April seien insgesamt mehr als 36.700 Tonnen Öl ins Meer gelangt. Damit hätte die Ölpest - gemessen an der Menge - die von 1989 übertroffen. Damals war der Tanker Exxon Valdez vor der Küste Alaskas verunglückt und es waren schätzungsweise rund 35.000 Tonnen Öl ausgetreten.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass täglich zwischen etwa 1600 und 3400 Tonnen Rohöl ins Meer strömen, sagte die Direktorin der US-Geologiebehörde USGS, Marcia McNutt. Bislang war offiziell eine Menge von rund 700 Tonnen genannt worden. Zahlreiche Fachleute hatten diese Angabe jedoch angezweifelt. McNutt betonte, auch die jüngsten Schätzungen seien nur vorläufig. Man betrachte "eine höchst dynamische, komplexe Lage". Demnach traten seit der Explosion der Bohrinsel am 20. April zwischen 64 und 148 Millionen Liter Rohöl aus.

Als Konsequenz aus der Ölkatastrophe kündigte Präsident Obama eine härtere Gangart gegenüber der Ölindustrie an. "Diese Ölpest hat gezeigt, wie sehr Reformen nötig sind", sagte in Washington. Es werde für die Firmen künftig wesentlich schwerer, Genehmigungen für Bohrungen in tiefen Küstengewässern zu erhalten. Außerdem würden die Sicherheitsanforderungen verschärft. Der Präsident sagte, er wolle die "behagliche und manchmal korrupte Beziehung" zwischen den Behörden und der Ölindustrie beenden.

Als Sofortmaßnahme verlängerte die Regierung den Zeitraum, in dem keine neuen Tiefsee-Ölbohrungen zugelassen wird, um sechs Monate. Dieses Moratorium war nach dem dem Unglück verhängt worden. Zudem setzte Obama zwei geplante Probebohrungen vor Alaska aus und stoppte Verpachtungen im Golf vom Mexiko und vor der Küste des Bundesstaates Virginia. Auch mehr als 30 laufende Bohrungen im Golf wurden auf Eis gelegt.

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