Ölpest:Operation "Top Kill" verschoben

US-Medien sprechen vom "D-Day" im Ringen mit der Ölpest - doch die Operation "Top Kill", bei der die Quelle unter Schlamm-Beschuss genommen werden soll, musste erneut verschoben werden.

Trotz massiven Drucks aus Politik und Öffentlichkeit hat der Energiekonzern BP einen neuen Versuch, das Ölleck im Golf von Mexiko abzudichten, verschieben müssen. Der Plan, die leckgeschlagene Steigleitung mit einer Art "Schlammkanone" zu verstopfen und schließlich mit Zement ganz zu verschließen, solle "in den kommenden Tagen" umgesetzt werden, teilte die Konzernzentrale am Dienstag mit.

Gulf Coast Struggles With Oil Spill And Its Economic Costs

BP-Mitarbeiter schaufeln Ölklumpen vom Strand in Port Fourchon, Louisiana.

(Foto: afp)

Ursprünglich war der Einsatz für Dienstag angestrebt worden. Bei der "Top Kill" genannten Methode soll mit hohem Druck zäher Schlamm durch das Sicherheitsventil gepumpt werden, das eigentlich im Falle eines Unfalls das Bohrloch automatisch verschließen sollte. Auch Gummiabfälle und Golfbälle sollen in die lecke Steigleitung gepresst werden. Gelingt es so, den Ölfluss einzudämmen, soll die Quelle schließlich mit Zement komplett versiegelt werden.

Fünf Wochen nach Beginn des Öl-Dramas im Golf von Mexiko soll mit der Aktion "Top Kill" das offene Bohrloch geschlossen werden. Der BP-Konzern will dafür am Mittwoch bei Sonnenaufgang mit hohem Druck schwere Schlamm-Massen in die sprudelnde Ölquelle am Meeresboden pumpen.

Schlamm gegen Öl

In Deutschland werden derweil die Aufforderungen von Politikern zum Boykott des britischen Ölkonzerns lauter. Bei dem "Top Kill"-Verfahren wird der Schlamm durch das tonnenschwere defekte Sicherheitsventil, das auf dem Bohrloch sitzt, dem ausströmenden Öl entgegen gepumpt. Acht Millionen Liter stünden dafür bereit. "Das ist weit mehr als nötig, aber wir wollen auf alles vorbereitet sein", teilte BP auf seiner Webseite mit.

Ist die Aktion erfolgreich, soll die Quelle anschließend mit Zement versiegelt werden. Um zu verhindern, dass zu viel Schlamm nach oben aus dem Blowout Preventer genannten Ventil entweicht, könnten zusätzlich geschredderte Reifen, Golfbälle und andere Gummiteile hinein geschossen werden. "Wir hoffen, es funktioniert, aber wollen nicht unrealistisch sein", sagte Heimatschutzministerin Janet Napolitano.

Keine Erfolgsgarantie

BP-Chef Tony Hayward räumte der "Top Kill" genannten Aktion bei einer Pressekonferenz in der Krisenregion am Montag eine "60- bis 70- prozentige" Erfolgschance ein. Man müsse jedoch realistisch in Betracht ziehen, dass die Aktion in 1500 Meter Tiefe noch nie versucht worden sei. Schlage sie fehl, gebe es aber noch weitere Optionen, das Bohrloch zu schließen. Seit dem Unfall der Bohrinsel Deepwater Horizon am 20. April waren bereits mehrere Anläufe zur Bekämpfung der Ölpest gescheitert.

Die US-Regierung gestand unterdessen ein, sie verfüge nicht über die nötigen Gerätschaften und die Erfahrung, um auf BP im Kampf gegen die Ölpest zu verzichten. "BP an den Rand zu drängen, würde die Frage aufwerfen: Durch wen ersetzt man sie?", sagte der Chefkoordinator des Einsatzes, Admiral Thad Allen. Er relativiere damit Aussagen von Innenminister Ken Salazar, der am Sonntag damit gedroht hatte, BP die Führung beim Einsatz gegen das Desaster aus der Hand zu nehmen.

Der Konzern "schöpft jedes mögliche technische Mittel aus", die Ölpest in den Griff zu bekommen, sagte der Admiral weiter. "Die Regierung ist hin- und hergerissen zwischen dem politischen Zwang, gegen den Öl-Giganten eine harte Linie zu fahren, und einem praktischen Zwang, dass sie keine andere Wahl hat, als sich auf die Firma im Kampf gegen das Öl zu verlassen", meinte die Washington Post am Dienstag. "Weder BP noch die Regierung waren auf ein Ausströmen von Öl in dieser Menge oder in dieser Tiefe vorbereitet", fasste die New York Times die Hilflosigkeit zusammen.

Druck erhöht

Dennoch erhöht Washington den öffentlichen Druck auf BP. "Wir werden ihnen im Nacken sitzen, bis der Job erledigt ist", erklärte Salazar am Montag. Man werde den Konzern "zivilrechtlich und in jeder anderen notwendigen Weise" zur Verantwortung ziehen, betonte der Minister. "Das ist ein BP-Schlamassel, es ist ein schreckliches Schlamassel. Es ist ein massives Umweltschlamassel."

BP müsse "ohne Begrenzung" für die Kosten des Unglücks aufkommen. Die Folgen der Katastrophe für die Natur werden unterdessen immer sichtbarer: Mehr als 310 Vögel wurden bislang in der Region tot gefunden. Etwa 40 überlebten mit verklebtem Gefieder. Im US-Staat Louisiana sind schon mehr als 110 Kilometer Küstenlinie vom Öl verschmutzt. Frustration und Verzweiflung wachsen täglich. In Louisiana, Mississippi und Alabama erklärte die Regierung eine "Fischerei-Katastrophe", wodurch nun Hilfsgelder aus Washington fließen können. Allein in Louisiana beschäftigt die Industrie mehr als 27.000 Menschen.

BP-Chef Hayward betonte, sein Konzern trage die volle Verantwortung für die Ölpest und ihre Folgen. "Wir werden jeden Tropfen Öl beseitigen." Er räumte ein, dass der Schutz der Ufer nicht erfolgreich gewesen sei. "Ich fühle mich schrecklich dabei." Ungeachtet der Beteuerungen hat nach der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth nun auch der zweite Parteichef Cem Özdemir indirekt zum Boykott des Ölkonzerns aufgerufen. "Es liegt in der Hand der Verbraucherinnen und Verbraucher, ihrem Unmut über das unverantwortliche Handeln von BP durch bewusstes Kaufverhalten Luft zu machen", sagte er dem Hamburger Abendblatt.

BP habe bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko bisher in erster Linie versucht, Desinformation zu betreiben. Zudem habe der Konzern so getan, als handele es sich um einen kleinen Unfall auf eigenem Betriebsgelände, kritisierte Özdemir weiter. Der BP-Konzern ist in Deutschland mit den Marken BP, Aral und Castrol vertreten.

Vor mehr als einem Monat war die von BP betriebene Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko explodiert und wenig später gesunken. Dabei starben elf Arbeiter. Seitdem strömt kontinuierlich Öl ins Meer und verseucht die Küstengebiete mehrerer US-Bundesstaaten.

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