Ölpest in Italien:Die schwarze Welle

Alles deutet auf Sabotage hin: Mehrere hunderttausend Liter Öl und Benzin sind aus einer Raffinierie in einen Zufluss des Po geflossen. Stecken Bauspekulanten dahinter?

Sabotage bei Nacht und Nebel, geheimnistuerische Industrielle und ein Fluss, der im Öl erstickt: Der Fall hat alle Zutaten eines handfesten Umweltskandals. Bis zu 600.000 Liter Öl und Benzin schwimmen im norditalienischen Lambro - und haben mittlerweile den Po erreicht.

Nachts um vier Uhr öffnen Unbekannte die Ventile. Millionen Liter Öl ergießen sich aus drei riesigen Tanks der eigentlich stillgelegten Raffinerie nördlich von Mailand. Erst Stunden später wird das Ausmaß der ökologischen Katastrophe deutlich: Auf dem Lambro, einem Po-Zufluss, schwimmt eine klebrige Ölschicht. Diese immer längere "schwarze Welle" droht auch den lebenswichtigen Strom Po zu verseuchen, in den der Lambro mündet. Ein Unfall war es nicht, es war eindeutig Sabotage im Spiel - ein krimineller Akt, der einen Millionenschaden anrichtet.

"Der Lambro ist tot", klagen die Anwohner. Übelriechende Luft reizt ihre Atemwege, Enten und andere Vögel sind die ersten Opfer des Öls

Feuerwehr, Zivilschutz und Umweltbehörde versuchen in einem angestrengten Wettlauf gegen die Zeit, die Ölflut zu stoppen. Vor allem wollen sie möglichst viel von dem giftigen Gemisch davon abhalten, in den Po zu gelangen. Der Fluss ist die Lebensader norditaliensicher Landwirte. Also musste der in Mailand rasch zusammengetrommelte Krisenstab zuerst zwischen Monza und der norditalienischen Metropole intervenieren und dann vor der Mündung des Flusses in den Po vom Zivilschutz schwimmende Barrieren legen lassen.

Niemand glaubt an einen bösen Scherz

An einen bösen Scherz glaubt niemand mehr: "Das war ein krimineller Akt", sagt Francesco Leonetti von der regionalen Umweltbehörde Arpa.

Sollte sich der Verdacht der Sabotage bestätigen bleibt die Frage nach dem cui bono? Erste Gerüchte werden laut, dass Bauspekulanten Auftraggeber dieses Verbrechens an der Umwelt gewesen sein könnten.

"Das ist ein großes Umweltdesaster, Folge eines kriminellen Aktes, aber auch der schuldhaften Nachlässigkeit seitens des Unternehmens", erklärte der Umweltverantwortliche der Region Lombardei, Massimo Ponzoni.

Manche vermuten eine Bauspekulation dahinter, es soll um viel Geld gehen. Was genau wollten jene, die die Ventile öffneten?

Ging es nur ums Geschäft?

"Die Lambro-Region gehört zu den verschmutztesten in Italien, doch in der Nähe dieser Ex-Raffinerie sollte nun eine Art urbane Grünzone entstehen", erklärt die Turiner Zeitung La Stampa den möglichen Hintergrund des Umweltverbrechens. Der Verdacht wird geäußert, dass die Ventile an den Tanks aufgedreht wurden, um dieses "Ecocity Villasanta Monza" genannte Megaprojekt zu treffen. Bei dem Vorhaben gehe es alles in allem um 500 Millionen Euro, wird der Bürgermeister von Villasanta, Emilio Merlo, zitiert.

Ein Grund für die Gerüchte ist auch, dass die Verantwortlichen der früheren Raffinerie nur zögernd mit der Wahrheit herausrückten. Damit verschlimmerten sie die Lage weiter: Denn es dauerte Stunden, bis das ganze Ausmaß und die Herkunft der Ölpest etwas klarer wurden. Und die Italiener, in diesen Tagen mehr noch als sonst gebeutelt von Nachrichten über Korruptionsfälle und Geldwäsche im großen Stil, mussten die neue schlechte Nachricht erst einmal verdauen: Ging es auch hier mal wieder nur um Geschäfte?

Um das herauszufinden, sind Politik und Justiz gefordert. Zunächst war es jedoch die Stunde von Umweltbehörden und Zivilschutz.

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