Ölpest im Golf von Mexiko:BP - ein Kürzel macht Wut

Im Kampf gegen die schlimmste Ölpest der US-Geschichte vermeldet BP Erfolge, die kam einer mehr glaubt. Politiker und Bevölkerung fühlen sich vom Ölgiganten betrogen und belogen.

Da schlucken selbst abgeklärte Politiker: Vor ihnen im Untersuchungsausschuss zum Öl-Drama im Golf von Mexiko sitzt ein weinender Kollege, nach Worten ringend. Es ist der Abgeordnete Charlie Melancon, er berichtet über die Situation in seinem Bundesstaat Louisiana.

Crews conduct controlled burns near the Deepwater Horizon/BP incident site in Gulf of Mexico

Bei der Untergangsstelle der Deepwater Horizon brennt BP kontrolliert Öl ab.

(Foto: rtr)

Dort verseucht das Öl mehr als 240 Kilometer Küste und sensibles Marschland. Es tötet Pelikane, Delfine und Schildkröten. Den Satz "Alles, was ich kenne und liebe, ist in Gefahr" bringt er noch heraus. Dann übermannen ihn die Tränen. Das ist das Gesicht der Trauer.

Die Wut überwiegt

Noch schwerer aber wiegt bei den Amerikanern nach mehr als fünf Wochen die Wut. Über eine Katastrophe, die in Zeitlupe zur schwersten Ölpest der US-Geschichte mutiert ist. Laut Experten der US-Regierung strömte bereits mehr Rohöl ins Wasser als 1989 nach dem Unglück des Tankers Exxon Valdez vor Alaska. Und damals war die Ölmenge im Bauch des Schiffes begrenzt. Die schier unerschöpfliche Quelle im Golf sprudelt dagegen weiter - bis zu 3400 Tonnen täglich, sagt die US-Geologiebehörde USGS.

Aller verzweifelten BP-Experimente, das Öl zu stoppen, zum Trotz. Die Wut richtet sich vor allem gegen den Ölriesen. Mitten in den wirtschaftlich und ökologisch so wertvollen US-Gewässern bohrte BP ein vier Kilometer tiefes Loch in den Meeresboden - offenkundig ohne sich vorher ausreichend Gedanken gemacht zu haben, wie man es wieder schließen kann, wenn etwas schief geht.

Jetzt kämpft der Konzern gegen den großen Druck, mit dem das Öl nach oben schießt. Er habe immer gedacht, die Ölindustrie sei bei Tiefseebohrungen auf das Schlimmste vorbereitet, sagte US-Präsident Barack Obama - um ungewohnt selbstkritisch ergänzen zu müssen: "Ich habe mich geirrt." Er ist verärgert und frustriert, sicher auch darüber, dass ihm nun Versagen im Krisenmanagement vorgeworfen wird.

Schlechtes Krisenmanagement

Da hilft es kaum, dass er zum ersten Mal nicht die ganze Last der Katastrophe auf BP schob, sondern offen einräumte: "Ich übernehme die Verantwortung". Der Präsident sei in der Krise nicht entschlossen genug aufgetreten, finden sogar Parteigenossen. "Und er wird den politischen Preis dafür zahlen", prophezeite die demokratische Senatorin Mary Landrieu.

Millionen Amerikaner haben zunehmend das Gefühl, von BP belogen zu werden. Jüngstes Beispiel: die laufende "Top-Kill"-Operation, bei der der Konzern das Bohrloch mit Schlamm und Zement verschließen will. Den ganzen Donnerstag ließ BP die Öffentlichkeit in dem Glauben, alles liefe nach Plan. Ein Topmanager verkündete dies im Frühstücksfernsehen, der Einsatzleiter der US-Regierung, Thad Allen, verbreitete sogar Erfolgsmeldungen und auch Obama zeigte am Nachmittag Hoffnung.

Wie ehrlich ist BP?

Am Abend teilte BP dann lapidar mit, dass schon seit 16 Stunden kein einziger Liter Schlamm mehr in die Quelle gepumpt wurde. Verzögerungen, Fehlinformationen, trügerischer Optimismus prägen den ganzen Kampf gegen die Ölpest. "Die Leute hassen BP für diese Unehrlichkeit", sagt der Politikexperte Douglas Brinkley von der Rice Universität in Houston (Texas).

Was hat BP schon alles verschwiegen oder geschönt?, fragen Kommentatoren. Der Starmoderator des TV-Senders CNN, Anderson Cooper, meint, BP ziehe eine riesige PR-Show ab, um die Bevölkerung ruhig zu halten. Lediglich die Washington Post hebt sich am Freitag von dieser Kritik ab: BP manage die Krise besser als Exxon vor 21 Jahren.

Wann immer echte Offenheit gefragt ist, duckt sich das Unternehmen aber zunächst weg.

Ein Live-Video von dem Ölleck in 1500 Metern Tiefe gab es erst nach Wochen und auf Drängen der US-Regierung frei. Schätzungen über die Menge des austretenden Öls beließ der Konzern noch eisern bei 700 Tonnen pro Tag, als schon viele Experten die Zahl für deutlich zu niedrig hielten. Und auch die Betroffenen in den Küstengebieten zeigen sich enttäuscht. Man warte seit einer Woche auf versprochene Helfer, die das Feuchtgebiet reinigen sollen, sagt der Chef der hart getroffenen Gemeinde Plaquemines, Billy Nungesser. "Es gab gar keinen Plan, hier sauberzumachen."

Fischer und Ladenbesitzer beklagen, dass sie dem angekündigten Schadenersatz lange hinterhertelefonieren müssen und oft mit kleinen Pauschalbeträgen abgespeist werden. Viele äußern die Sorge, nach der Katastrophe ganz vergessen zu werden. Ein Bürger in Louisiana sagt bei einer Versammlung mit lokalen BP-Managern: "Wenn das Öl weg ist, dann wird BP auch weg sein."

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