Süddeutsche Zeitung

Ölpest im Golf von Mexiko:Das schwarze Loch

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In den USA streiten die Firmen, wer die Schuld an der Öko-Katastrophe im Golf von Mexiko trägt. Der Ölteppich ist indes bislang nicht zu stoppen.

Reymer Klüver

Nun also soll eine kleine Tauchglocke schaffen, was der 100-Tonnen-Giga-Stahlbox nicht gelungen ist, die sie am Wochenende über das Leck am Meeresgrund gestülpt hatten: die Öko-Katastrophe in den Griff bekommen. Denn ungehindert quellen weiter täglich Hunderttausende Liter Rohöl in 1600 Metern Tiefe ins Meer. Nur günstigen Wetterbedingungen ist es zu verdanken, dass der gewaltige Ölteppich über dem defekten Bohrloch die Küstengewässer im Golf von Mexiko in nennenswertem Umfang verschmutzt hat.

Neuer Versuch mit kleinerer Glocke

Bis zum Wochenende wollen Ingenieure des britischen Ölkonzerns BP, dem das Bohrloch im sogenannten Macondo-Feld etwa 65 Kilometer vor der Mississippi-Mündung gehört, die kleine, zwei Tonnen schwere Tauchglocke herablassen. Sie soll im Gegensatz zu der schweren Box von vornherein mit einer Rohrleitung zu dem Bergungsschiff an der Meeresoberfläche verbunden sein. Durch das Doppelrohr soll nicht nur das ausfließende Öl abgesaugt, sondern gleichzeitig warmes Wasser und Methanol hinunter zur Tauchglocke gespült werden. So wollen die Experten die Bildung von Eiskristallen verhindern, die die große Stahlbox sofort verstopft hatten.

"Die Lage ist ernst für BP", hatte Vorstandschef Tony Haywood mit dem britischen Sinn für Untertreibungen am Montag erklärt. Die Ölpest habe sein Unternehmen bisher 350 Millionen Dollar gekostet. Auch Präsident Barack Obama findet offenbar, dass es nun an der Zeit wäre, der Katastrophe Einhalt zu gebieten.

Nach einer Krisensitzung im Situation Room des Weißen Hauses beorderte er am Montagabend Experten des Energieministeriums an den Golf, um den Ingenieuren von BP bei der Suche nach einer Lösung zu helfen.

In Washington werden indes zwei Fragen immer dringlicher gestellt. Erstens, warum die Ölindustrie keine Vorkehrungen gegen den Supergau wie nun im Golf getroffen hat. Zweitens aber, warum die US-Behörden die offenkundig leichtsinnige Ölindustrie nicht mit schärferen Vorschriften zu einer effektiveren Katastrophenvorsorge gezwungen haben.

Verschiedenste Schuldzuweisungen

"Sie haben die Wahrscheinlichkeit einer Ölpest schrecklich unterschätzt, und deshalb haben sie auch die Konsequenzen eines solchen Unfalls schrecklich unterschätzt", sagt etwa Robert Bea, Professor an der Universität von Berkeley und Experte für Ölbohrungen in Küstengewässern.

Noch im November hatte BP-Vorstand David Rainey bei einer Anhörung im Senat ein Desaster wie das im Golf weitgehend ausgeschlossen und auf den sogenannten Blowout Preventer verwiesen, das gigantische Sicherheitsventil am Meeresgrund, das ein Bohrloch im Unglücksfall sofort schließen soll. Genau das hat am 20. April nach der Explosion an Bord der Bohrinsel Deepwater Horizon nicht funktioniert. Im Senat hatte Rainey noch angegeben: "Entgegen der landläufigen Meinung betreiben wir eine Hightechindustrie."

Kritik von allen Seiten

Neben der Ölindustrie selbst steht auch der Minerals Management Service, die staatliche Aufsichtsbehörde der Ölbehörde, in der Kritik. In den letzten Tagen war in Washington viel die Rede von zu großer Nähe der Aufsichtsbeamten zur Ölindustrie. Das ist ganz wörtlich zu verstehen: Offenbar hat es gleich mehrere Sexaffären zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten gegeben. Innenminister Ken Salazar will deshalb einem Bericht der Nachrichtenagentur AP zufolge die Behörde zerschlagen: Eine Behörde soll für die Inspektion der Ölplattformen zuständig sein; eine zweite soll die Vergabe der Bohrrechte beaufsichtigen.

Die Spitzenmanager der in das Unglück verstrickten Unternehmen schoben sich am Dienstag die Schuld gegenseitig zu. Bei einer Anhörung im Energieausschuss des Senats kritisierte der Chef von BP Amerika, Lamar McKay, den Eigner der Ölplattform Transocean, von dem BP die Bohrrinsel geleast hat. "Der Blowout Preventer von Transocean hat nicht funktioniert", sagte Lamar. Eigentlich hätte dieser Mechanismus - eine Kombination von Sicherheitsventilen - garantieren sollen, dass nach Sinken der Ölplattform kein Öl ins Meer gelangt.

Bei den Verantwortlichen wächst derzeit die Sorge, die Katastrophe nicht in den Griff zu bekommen. BP hat sogar einen Link im Web und eine kostenfreie Telefonnummer eingerichtet, um Vorschläge für die Bekämpfung der Ölpest zu sammeln. Doch wie weit die Ideen berücksichtigt werden, wusste selbst ein Unternehmenssprecher nicht zu sagen. Verbesserungen in der Schutztechnik wären in der Tat dringend nötig. Das Instrumentarium ist noch dasselbe wie bei der verheerenden Havarie der Exxon Valdez vor Alaska vor gut zwanzig Jahren: Ölsperren, Absaugschiffe, von Flugzeugen versprühte Lösungsmittel. Es bleibt also nur die Hoffnung, dass es nicht noch schlimmer kommt.

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SZ vom 12.5.2010/wolf
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