Ölpest im Golf von Mexiko:Fünfmal schlimmer als befürchtet

Aus dem Bohrloch im Golf von Mexiko tritt kein Öl mehr aus - zumindest vorübergehend. Gleichzeitig schockieren Experten der US-Regierung mit der Nachricht, dass wohl viel mehr Öl ins Meer geflossen ist, wie von BP bislang behauptet.

Die Hoffnung währte nur kurz: Medien hatten berichtet, es sei endlich gelungen, die sprudelnde Öl-Quelle im Golf von Mexiko zu versiegeln. Kurz danach jedoch wurden die Berichte relativiert: Nach Angaben der US-Küstenwache ist der Ölfluss durch massiven Beschuss mit riesigen Schlamm-Mengen gestoppt worden - allerdings wohl nur vorübergehend.

Oil floats on the surface in Pass A Loutre near Venice, Louisiana

Mit allen Mitteln wird versucht, das ausströmende Öl von den Küsten fernzuhalten. Inzwischen seien mindestens 160 Kilometer Küste vor dem US-Staat Louisiana verschmutzt, heißt es. Vorübergehend wurde die Quelle nun gestoppt.

(Foto: rtr)

"Noch kein Erfolg"

Der Einsatzleiter der Regierung, Admiral Thad Allen, habe die Aktion "noch nicht zu einem Erfolg erklärt", sagte eine Sprecherin der Küstenwache. Der Austritt von Öl und Gas aus dem Bohrloch sei lediglich zeitweise durch den Gegendruck des Schlamms, der in die Quelle gepumpt wurde, unterbrochen worden. Es verlaufe aber alles "nach Plan", sagte die Sprecherin weiter.

Die Los Angeles Times hatte zuvor berichtet, die Operation "Top Kill" habe genug Schlamm in das Bohrloch gepumpt, um den Austritt von Öl und Gas zu stoppen. Der BP-Konzern meldete lediglich, die "Top-Kill"-Aktion laufe weiter.

Experten der US-Regierung haben die Schätzungen über die Menge des sprudelnden Öls im Golf von Mexiko derweil dramatisch nach oben korrigiert. Bis zu 25.000 Barrel pro Tag (knapp vier Millionen Liter) seien seit Beginn der Katastrophe vor fünf Wochen ausgetreten, teilte die Leiterin einer Expertenkommission am Donnerstag mit. Das wären fünfmal so viel wie bislang von BP geschätzt und die schlimmste Ölpest in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Bislang war offiziell von rund 5000 Barrel ausgegangen worden. Zahlreiche Fachleute hatten diese Angabe jedoch angezweifelt. Die Direktorin des Nationalen Geologischen Instituts der USA (USGS), Marcia McNutt, betonte, auch die jüngsten Schätzungen seien nur vorläufig. Man betrachte "eine höchst dynamische, komplexe Lage".

Mehr Öl als gedacht

Seit dem Beginn des Öldramas am 20. April seien insgesamt mehr als 36.700 Tonnen Öl ins Meer gelangt. Damit hätte die Ölpest im Golf von Mexiko - gemessen an der Menge - die von 1989 übertroffen. Damals war der Tanker Exxon Valdez vor der Küste Alaskas verunglückt und es waren schätzungsweise rund 35.000 Tonnen Öl ausgetreten.

Die Regierung von US-Präsident Barack Obama hat nach Angaben demokratischer Politiker in Washington die bisherige Leiterin der Behörde zur Überwachung der Ölbohrungen entlassen. Elizabeth Birnbaum war vorgeworfen worden, dass die Überwachung der Ölindustrie zu lasch gewesen sei. Birnbaum hatte das Amt seit Juli 2009 geleitet.

160 Kilometer Küste verdreckt

Als Konsequenz aus der Ölkatastrophe, die mindestens 160 Kilometer Küste vor dem US-Staat Louisiana verschmutzt hat, will US-Präsident Barack Obama am Donnerstag außerdem schärfere Regeln für Ölbohrungen im Meer ankündigen. Außerdem werde er das Moratorium über neue Bohrungen in tiefen Küstengewässern, das nach dem Unglück verhängt wurde, um sechs Monate verlängern, berichtete die Washington Post. Pläne für Probebohrungen und Verpachtungen vor Alaska sollen gekippt werden, meldete die Zeitung unter Berufung auf einen Mitarbeiter des Weißen Hauses.

Nach den Worten eines Vertreters der US-Küstenwache sind mittlerweile 160 Kilometer Küste verdreckt - es seien Strände wie auch Marschland. In einigen Fällen handele es sich bereits um schweres Öl, in anderen lediglich um einen Film.

Erfolg liegt bei 60 bis 70 Prozent

Der Konzern BP hatte am Mittwoch um 20 Uhr MESZ begonnen, große Schlammmassen in das Bohrloch zu pumpen.Ob die Aktion klappt, sei jedoch fraglich. Das Ölunternehmen hatte die Erfolgsaussicht bei 60 bis 70 Prozent gesehen.

Kurzfristig könnte BP auch einen 1,50 Meter hohen Zylinder aus Stahl über das Leck stülpen, der das Öl auffangen soll, sagte Vizepräsident Kent Wells. Über ein Rohr an der Vorrichtung könnte die Brühe nach oben in ein Schiff gepumpt werden.

Vor drei Wochen aber war das Ölunternehmen mit einem ähnlichen Versuch gescheitert, weil Kristalle die Leitung verstopften. Allerdings kam damals eine wesentlich größere, 13 Meter hohe Kuppel zum Einsatz.

Der Einsatz gegen die Ölpest kostete BP nach offiziellen Angaben bislang 750 Millionen Dollar (615 Millionen Euro). Die US-Regierung habe bisher 100 Millionen Dollar (82 Millionen Euro) ausgeben müssen, die sie allerdings von dem Ölkonzern zurückerhalte.

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