Umweltkatastrophe in der Oder:Das nächste Fischsterben droht

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Etwa 50 Zentimeter große Fische treiben leblos an der Wasseroberfläche im Winterhafen, einem Nebenarm des deutsch-polnischen Grenzflusses Oder. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

An die Ufer der Oder werden schon wieder tote Fische angeschwemmt, die Sensoren der Messgeräte schlagen aus. Steht der Grenzfluss zu Polen vor der nächsten Katastrophe?

Von Michael Bauchmüller

Der Wasserfloh ist an sich ein ziemlich flinkes, aktives Tierchen, jedenfalls in sauberem Wasser. Findet sich dagegen Gift im Wasser, geht es auch dem Floh, Fachausdruck Daphnie, schlecht. Er stellt das Essen ein und stirbt. Weshalb das kastenförmige „Daphnien-Toximeter“ ein ziemlich zuverlässiger Indikator für Probleme in Flüssen ist. Und am vorigen Wochenende hat es an der Oder ziemlich ausgeschlagen. Am Grenzfluss zu Polen gilt nun wieder Warnstufe drei von drei: „Seit einigen Tagen ist die Gesamtalgenentwicklung in der Oder sehr hoch“, warnt das Umweltministerium in Potsdam. Und dominiert werde sie von der Goldalge.

Erinnerungen an den Sommer 2022 werden wach: Auch damals waren die Wasserflöhe gestresst, auch damals breiteten sich die Goldalgen aus. Wenn sie blühen, entsteht ein tödliches Gift – jenes Gift, dass im Sommer 2022 die Oder in einen toten Fluss verwandelte. Hunderte Tonnen verendeter Fische wurden daraus geborgen, dazu alle möglichen anderen Lebewesen wie etwa Muscheln. Jene Tiere, die auch dabei helfen, Gewässer zu reinigen. Und auch jetzt werden die ersten toten Fische und Muscheln angeschwemmt, etwa in Frankfurt an der Oder. Droht jetzt eine Wiederholung der Katastrophe?

Der Salzgehalt-Wert schnellte am Wochenende in die Höhe

Viele Messwerte jedenfalls sind derzeit in Dimensionen wie damals. Die elektrische Leitfähigkeit – ein Hinweis auf den Salzgehalt im Fluss – schnellte am vorigen Wochenende in Frankfurt an der Oder auf fast 2300 Mikrosiemens je Zentimeter hoch. Allerdings hat der Sommer noch gar nicht richtig begonnen. „Wenn die Bedingungen so bleiben, wird es schlimmer als 2022“, befürchtet Julios Kontchou, Ökotoxikologe bei Greenpeace. Schuld seien polnische Unternehmen, die immer noch Salz in den Fluss einleiten dürften, „legal und unkontrolliert“. Salz wiederum liebt die Goldalge, die eigentlich nicht in Flüssen heimisch ist, sondern in Brackwasser. Und mittlerweile in der salzigen Oder.

Auch Behörden wie das Umweltbundesamt sind alarmiert – und das umso mehr, weil die Bedingungen diesmal ganz anders sind als im Sommer 2022. Damals war die Hitze groß und der Oder-Pegel niedrig – das Wachstum der Alge schien das noch zusätzlich zu begünstigen. Nun aber könnte ein vergleichsweise hoher Pegelstand das salzhaltige Wasser auch in Seitenarme des Flusses gespült haben, wo nun auch die Goldalge heranwächst. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass polnische Firmen die hohen Pegelstände nutzten, um mehr Salz einzuleiten – in der Hoffnung, dass es sich so stärker verdünnt. Offen aussprechen will diesen Verdacht aber keiner. Zumal der Austausch zwischen den beiden Nachbarn seit dem Regierungswechsel in Warschau besser geworden ist, auch und gerade mit Blick auf den Zustand des gemeinsamen Flusses.

Was aber passieren würde, wenn der Pegel sinkt und die Temperaturen steigen, das mag sich entlang der Oder keiner recht ausmalen. Man dürfe nicht vergessen, heißt es aus dem Umweltministerium in Potsdam, dass die Entwicklung jetzt auf einen Fluss treffe, der seit der Katastrophe 2022 ohnehin geschwächt ist. Das Leben in der Oder hatte gerade begonnen, sich davon zu erholen.

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