Obdachlosen-WM in Rio de Janeiro:Turnier der guten Hoffnung

"Als ich die Wellen gesehen habe, hatte ich Tränen in den Augen": In Brasilien hat ein Fußballturnier für Wohnungslose aus aller Welt stattgefunden. Manche Teilnehmer sahen dabei zum ersten Mal das Meer.

Fabian Mader

Jiri hat mit seinen 29 Jahren schon viel gesehen von der Welt. Aber weniger die guten Seiten. Mit 22 hatte er Spielschulden, seine Freundin verließ ihn, und eines Tages ging er einfach nicht nach Hause von der Arbeit, sondern zum Bahnhof. Zurück kam er nie. Bis vor kurzem hat er in ganz Europa unter Brücken geschlafen und in Notunterkünften gewohnt. Obwohl er in Frankreich, Italien gewesen ist und auch durch Deutschland getingelt ist, war er noch nie am Meer.

Obdachlosen-WM an der Copacabana

Entspannen nach dem Spiel: das rumänische Team bei der WM der Wohnungslosen auf der Copacabana in Rio de Janeiro.

(Foto: dpa)

"Als ich die Wellen gesehen habe, hatte ich Tränen in den Augen. Ich habe mich gefühlt wie ein kleiner Junge an Weihnachten, der ein Geschenk auspackt." Jiri ist wohnungslos und war einer von sechs Spielern bei der Weltmeisterschaft der Wohnungslosen in Rio de Janeiro, die am Wochenende zu Ende ging. Es war bereits die achte Fußball-WM für Wohnungslose, zuvor gab es unter anderem Turniere in Kapstadt, Melbourne und Graz. Deutschland ist seit 2006 dabei. Der Verein Anstoß e. V. kümmert sich um die Organisation, bezahlt wurde die Reise nach Brasilien aus Sponsoren- und Spendengeldern.

Die Idee, einen solchen Cup zu veranstalten, hatte 2001 der frühere Chefredakteur der Grazer Straßenzeitung Megaphon, Harald Schmied. Sein Gedanke: Fußball ist eine Sprache, die wirklich jeder versteht. Ganz nebenbei sollte das Turnier globale Aufmerksamkeit für die Problematik der Wohnungslosigkeit schaffen. Bei der Wohnungslosen-WM wird auf einem Minifeld gespielt, es ist 22 Meter lang und 16 Meter breit. Jede Mannschaft schickt drei Spieler plus Torwart auf den Platz. Statt gelber und roter gibt es blaue Karten - für Zeitstrafen. Die besten 24 Mannschaften der Vorrunde spielen eine eigene Endrunde, die schlechteren ebenfalls. Die deutsche Mannschaft landete nach drei Niederlagen und zwei Siegen in der schwächeren Endrunde. Am Ende reichte es für Platz 32, bei 48 Teilnehmern.

Lebensretter Fußball

Um die Spieler für die Weltmeisterschaft auszusuchen, veranstaltet Anstoß e. V. einmal im Jahr eine deutsche Meisterschaft mit 18 bis 24 Teams. Jiri nahm diesen Juli in Hamburg mit der Mannschaft der "Notunterkunft Hängematte" aus Nürnberg teil. Danach bekam er von Bundestrainer Stefan Huhn das Ticket für Rio, was Jiri sehr viel bedeutet. "Ohne Fußball würde ich vielleicht schon gar nicht mehr leben", sagt der 29-Jährige. Jiri hat mehrere Selbstmordversuche hinter sich, die Drogen und die Spielsucht hätten ihn fast umgebracht. Seit einer erfolgreichen Suchttherapie Anfang dieses Jahres ist er nun erstmals seit Jahren wieder clean: "Fußball hat mir wieder Struktur gegeben im Leben."

Der Kontakt mit den anderen Spielern, das Erfolgserlebnis, Tore zu schießen, die Erfahrung, dass Leistung sich lohnt, all das hat Jiri gutgetan. Alle Spieler des deutschen Teams hätten ähnliche Geschichten zu erzählen, und alle hat der Fußball wieder ins Leben zurückgeholt. Noch bis Mittwoch bleibt das Team in Rio, um die Stadt zu erkunden. Das Erste, was Jiri getan hat nach der Ankunft, war, die etwa zehn Minuten Fußweg vom Hostel zum Strand in drei Minuten zurückzulegen. An eine Badehose hatte er nicht gedacht, aber das war dann auch kein Hindernis mehr: "Das klingt jetzt total lächerlich. Aber ich hätte echt nicht gedacht, dass das Meer so salzig ist."

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