Obdachlose erfroren:Tödliche Kälte

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Jede Nacht kann tödlich sein: Obdachlose sind der Kältewelle schutzlos ausgeliefert. Eine Frau ist in der Nacht auf Donnerstag in ihrem Zelt erfroren.

Bei klirrendem Nachtfrost ist eine 58-jährige Obdachlose in Igel (Kreis Trier-Saarburg) in ihrem Zelt erfroren. Ihr Begleiter fand sie am Donnerstagmorgen tot vor.

Draußen bei Rekordkälte: Ein Obdachloser in Berlin sucht Schutz in einem Schlafsack. (Foto: Foto: dpa)

Zuvor hatte ein Hotelbesitzer der Frau und ihrem Freund noch angeboten, die Kältewelle in einem Zimmer zu überbrücken. Beide hätten das Angebot aber ausgeschlagen.

Der 43-jährige Obdachlose hatte das Zelt am Morgen vor 8 Uhr verlassen, um Kaffee zu holen. Als er zurückkam, bemerkte er, dass seine Freundin tot war, berichtete eine Polizeisprecherin. Er versuchte sie zu beatmen und rief den Rettungsdienst. Der Notarzt stellte den Tod der Frau fest.

Ein Fremdverschulden wurde ausgeschlossen. Die Obdachlose hatte eine tödliche Unterkühlung erlitten. In der Nacht war es minus 16 Grad kalt gewesen. Die Frau trug mehrere Pullover und hatte eine Decke.

Sie war nach Polizeiangaben in keiner guten körperlichen Verfassung. Die aus Norddeutschland stammende 58-Jährige war seit 2002 obdachlos und hatte schon längere Zeit mit ihrem Freund an der Mosel campiert. Das Zelt hatten sie an einer versteckten Stelle aufgebaut.

Unterdessen meldete die Polizei außerdem, dass ein 66-Jähriger erfroren ist. Der Mann lebte in einem Alten- und Pflegeheim, hatte das Heim verlassen und konnte bis Einbruch der Nacht von der Polizei nicht gefunden werden. Der Tote wurde dann in einem Steinbruch entdeckt, der etwa fünf Kilometer von dem Heim entfernt war. Die Obduktion ergab: Der Mann ist erfroren.

Zwei Kältetote in Frankreich, mehr als 70 in Polen

In Frankreich hat die Kältewelle zwei Menschen das Leben gekostet. Ein obdachloser Mann zwischen 40 und 50 Jahren sei erfroren in einem Keller eines Gebäudes in Bobigny bei Paris entdeckt worden, teilte die Polizei mit. In Lille wurde laut Feuerwehr ein 32-jähriger Obdachloser nach der "eisigsten Nacht des Jahres" tot in einem Park entdeckt. Auch er sei wahrscheinlich durch die Kälte umgekommen.

In Polen, wo derzeit stellenweise Temperaturen von 25 Grad unter dem Gefrierpunkt herrschen, erfroren am Mittwoch sieben weitere Menschen. Die Zahl der Kältetoten stieg damit seit dem 1. November auf 76, teilte das Innenministerium mit. Die meisten Opfer sind Obdachlose sowie Betrunkene, die trotz der eisigen Temperaturen im Freien einschlafen.

Lesen Sie auf Seite 2, wie deutsche Städte Obdachlosen helfen

In Deutschland versuchen unterdessen viele Städte, Hilfe für die Obdachlosen bereitzustellen. Es ist nicht ganz klar, wie viele Menschen in Deutschland auf der Straße leben, da keine genauen Statistiken existieren. Offizielle Zahlen gehen von 18.000 Obdachlosen aus. Viele von ihnen finden an besonders kalten Tagen Unterschlupf bei Bekannten und Verwandten. Dennoch gibt es Menschen, die die Nächte auch jetzt noch im Freien verbringen.

"Die haben schlechte Erfahrungen mit den Notunterkünften gemacht", sagt Werena Rosenke, stellvertretende Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W). Zum Beispiel mit Diebstählen oder Gewalt. Manchen ist es zudem nicht recht, wenn sie ihre Hunde nicht mitnehmen dürfen oder Alkohol verboten ist.

Trotzdem versuchen die Großstädte, den Obdachlosen in der Kälte Hilfe anzubieten. So werden in Hamburg zu den bereits vorhandenen 2800 Schlafplätzen im Winter immer noch einmal 200 zusätzliche Betten zur Verfügung gestellt. Einen Ansturm der Obdachlosen verzeichnet die Stadt trotz der Kältewelle nicht. Die Auslastung sei in den vergangenen Tagen nur unwesentlich höher gewesen, sagt Jasmin Eisenhut, Sprecherin der Sozialbehörde.

Auch in München sind derzeit nicht mehr Schlafplätze belegt als sonst. Etwa 350 Menschen lehnen es in der bayerischen Landeshauptstadt weiter ab, in sozialen Einrichtungen Schutz vor der Kälte zu suchen, obwohl es genügend Schlafplätze gibt.

Nach Ansicht von Rosenke ist die Kälte für Obdachlose in den Großstädten ohnehin kein so großes Problem wie auf dem Land. Zwar sei die Zahl der Wohnungslosen in den Metropolen am höchsten. Dafür gebe es dort in der Regel ein breiteres Hilfsangebot. Rosenkes Beobachtungen zufolge erfrieren die meisten Obdachlosen in kleinen Städten und in Ostdeutschland, da dort oftmals nur eine unzureichende oder gar keine Infrastruktur für Wohnungslose vorhanden ist. Sorge bereitet es der stellvertretenden Geschäftsführerin der BAG W außerdem, dass die Temperaturen derzeit vielerorts nicht einmal tagsüber den Gefrierpunkt überschreiten.

Damit Obdachlose den eisigen Temperaturen nicht ganz schutzlos ausgeliefert sind, bleiben in Berlin ab einer Temperatur von minus drei Grad einige U-Bahnhöfe auch nachts geöffnet. Geduldet werden Obdachlose während der Kältewelle auch in den Bahnhöfen der Kölner U-Bahn. In Hamburg und München sind die Stationen nachts dagegen weiter geschlossen.

© AP/dpa/AFP/hai/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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