Nutzungsvorschläge für Tempelhof:Ein Watzmann für Berlin

Kein Witz: Ein Architekt würde auf dem ehemaligen Flughafenareal Tempelhof gerne eine alpine Landschaft bauen. Der Senat favorisiert aber eine wesentlich langweiligere Lösung.

C. von Bullion

Es ist ein Berg für Visionäre, und er soll den Berliner Stadtplanern sozusagen zu etwas mehr Sauerstoff in den Gehirnen verhelfen. Man muss sich diesen Berg mächtig vorstellen wie den Watzmann, mit Skipisten und lauschigen Almen zum Wandern. Mitten in Berlin soll der Riese sich erheben, genauer gesagt: auf dem Gelände des stillgelegten Traditionsflughafens Tempelhof.

Nutzungsvorschläge für Tempelhof: Raum für Kreativität: Der Berliner Architekt Jakob Tigges will aus dem brachliegenden Flughafen Tempelhof eine alpine Landschaft machen.

Raum für Kreativität: Der Berliner Architekt Jakob Tigges will aus dem brachliegenden Flughafen Tempelhof eine alpine Landschaft machen.

(Foto: Foto: AP)

Kein Witz, der Berliner Architekt Jakob Tigges hat ein Konzept entwickelt, das aus dem brachliegenden Flugfeld in Tempelhof eine mehr als 1000 Meter hohe alpine Landschaft macht. Bisher existiert sie nur als Computeranimation, und dass sie je Wirklichkeit wird, ist nicht geplant. Der 35-Jährige hat den virtuellen Gipfel beim Ideenwettbewerb zur Bebauung des Flugfelds eingereicht. Er versteht ihn als bitterböse Kritik an der Einfallslosigkeit des Berliner Senats.

"Ich finde es erbärmlich, wie der Senat mit dem Tempelhofer Feld umgeht", sagt Tigges. "Die Fläche ist viel zu wertvoll, um sie mittelmäßigen Wohnungsbauten zu opfern." Statt das Riesengelände von den Seiten her mit Wohnhäusern zuzupflastern und in der Mitte einen Park übrigzulassen, müsse Berlin eine "große, schöne und wichtige Idee" für den berühmten Ort entwickeln. Etwas Erhabenes sozusagen, das Sehnsüchte wecke wie ein Berg. Stattdessen verzettle sich die Stadt in Wettbewerben und gesichtslosem Klein-Klein. "In Berlin gibt es keinen Entwicklungsdruck", sagt der Architekt, lieber solle man 20 Jahre warten, bis ein tolles Projekt gefunden sei.

Beim Berliner Senat sieht man das anders, hier will man - nach Jahren ohne jeden Denkversuch - das Tempelhofer Feld zügig entwickeln. Am Montag stellte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher in der ausgestorbenen Haupthalle des Flughafens erste Ergebnisse des Ideenwettbewerbs vor, an dem sich auch Berg-Fan Tigges beteiligt hat. Zwölf Architekten wurden ausgewählt, die Vorschläge für die 105 Hektar im Norden des Fluggeländes gemacht haben. Hier soll das "Columbiaquartier" entstehen, das Kreuzberg und Neukölln vernetzt, "innovatives Wohnen" ermöglicht und das Flughafengelände als "Frischluftgebiet und Kühlschrank" der Stadt erhält.

Während ein Vorschlag ovale Hochhausinseln im Grünen wie Ameiseneier auf der Wiese vorsieht, setzen andere auf eine sukzessive Erschließung des Geländes, auf dem erst Sportflächen oder Apfelbaumhaine wachsen sollen und dann Wohnhäuser. Senatsbaudirektorin Lüscher sagte, sie sei "nicht enttäuscht" von der Qualität der Entwürfe, die nun auf finanzielle Solidität geprüft würden. Der Sieger soll im Mai feststehen.

Erste Ergebnisse gibt es auch beim call for ideas, dem Ruf nach Ideen, den der Senat ausgestoßen hat, um das Hauptgebäude des Flughafens wiederzubeleben. Der Erhalt des denkmalgeschützten Baus, in dem 300000 Quadratmeter Gewerbefläche liegen, alte Hangars und Bürolabyrinthe des Kalten Krieges, kostet das Land 14,2 Millionen Euro im Jahr. Verkauft werden kann es erst, wenn die Eigentumsfrage zwischen Land und Bund geklärt ist. Bis dahin soll vermietet werden, möglichst an die "Kreativwirtschaft".

61 Vorschläge sind nun eingegangen, von Eventmanagern, alternativen Energieproduzenten, Hoteliers, Bildungsträgern und Sportfreunden. Ihre Namen sind noch anonym, aber es ist kein Geheimnis, dass die Babelsberger Filmstudios zu den Favoriten des Senats gehören. "Wir sind in der Poleposition", sagte der Geschäftsführer der Filmbetriebe Berlin-Brandenburg, Christoph Fisser.

Fisser hat mal alte Bundeswehrkasernen in München entwickelt und will nun auch in Tempelhof Film- und Fernsehstudios ansiedeln. "Das Gebäude muss zehn Millionen Euro erwirtschaften, das trauen wir uns durchaus zu", sagt er. Beim Senat wird das noch leise bezweifelt, hier wünscht man nur Bewerber, die ohne öffentliches Geld auskommen - offiziell. Hinter den Kulissen aber glaubt hier keiner mehr, dass sich ein Investor finden wird, der den Tempelhofer Koloss ganz allein in Schuss halten kann.

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