Datenspeicher-Spürhunde:Wie riecht ein Smartphone?

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Gestatten, Flauschi, Datenspeicher-Suchhund in Diensten des Bundeslandes NRW. Das Smartphone in der Sofaritze hat er erfolgreich aufgespürt. Was darauf gespeichert ist, interessiert ihn freilich nicht, sondern nur die Belohnung danach: eine Beißwurst. (Foto: Marcel Kusch/dpa)
  • Die NRW-Polizei hat fünf Spürhunden spezielle Fähigkeiten antrainiert: Sie können nun Datenträger erschnüffeln.
  • Die NRW-Polizei ist damit nach den Kollegen in Sachsen deutschlandweit erst die zweite Polizeibehörde mit solchen Hunden.
  • Die Ausbildung der Hunde ist eine Reaktion auf den Kindesmissbrauch in Lügde.

Von Jana Stegemann, Neuss

Flauschi friert ein. Der Hund verharrt bewegungslos auf dem Sofa, zeigt mit der Schnauze auf die Ritze. Dann ertönt ein Klickgeräusch. Flauschi springt auf, Christina Guse gibt ihm sein Lieblingsspielzeug, eine Beißwurst. Der holländische Schäferhund-Mischling kaut eifrig darauf herum. Die Polizeioberkommissarin greift in die Sofaritze und zieht ein verstecktes Handy heraus. Volltreffer.

318 Hunde hat die NRW-Polizei im Einsatz: Schutz-, Rauschgift-, Sprengstoff-, Personen-, Brandmittel-, Leichen und Banknotenspürhunde sowie Mantrailer. Fünf von ihnen haben nach einer Fortbildung nun ganz spezielle Fähigkeiten: Sie können Datenträger erschnüffeln. Die Datenspeicher-Spürhunde, so die sperrige, aber offizielle Bezeichnung, sind darin ausgebildet worden, CDs, Festplatten, Speicherkarten, USB-Sticks, Smartphones und SIM-Karten zu finden. Die NRW-Polizei ist damit nach den Kollegen in Sachsen deutschlandweit erst die zweite Polizeibehörde mit solchen Hunden.

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Sieben Räume hat die Wohnung, überall könnten Speichermedien versteckt sein. Flauschi, groß, dunkel, wuscheliger Kopf, bewegt sich schnell, schnüffelt Regale, Stühle, Tische, Blumen ab. Die Durchsuchung ist Teil einer Präsentation in einer präparierten "Tatortwohnung" im Neusser Ausbildungszentrum des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der nordrhein-westfälischen Polizei. Diensthunde-Führerin Guse ist nah an Flauschis Seite, zeigt ihm genau, an welchen Stellen er riechen soll. Wenn nötig, hebt sie ihn auch hoch, damit er auf Schränken suchen kann.

Wenn Flauschi etwas gefunden hat, erstarrt er. Bis Guse ihn mit dem Klick-Geräusch erlöst - und belohnt. Natürlich mit seiner heiß geliebten Beißwurst. "Für die tut er alles", sagt Guse. Sie kennt Flauschi in und auswendig, er lebt bei ihr zu Hause, fährt mit in den Urlaub. Für Guse ist Flauschi wichtigster Arbeitskollege und Familienmitglied gleichzeitig.

Früher hätten Polizeisuchhunde gekratzt und gescharrt, dabei gingen auch mal Möbel kaputt. "Flauschi ist passiv ausgebildet. Das heißt, er friert ein, um anzuzeigen, dass er was entdeckt hat", sagt Carsten Pitzer, der Fachkoordinator für das Diensthundewesen ist und auf einer Galerie steht, von wo aus sich die Arbeit des fünfjährigen Hundes und der 31 Jahre alten Polizistin aus Köln gut beobachten lässt. Auch Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) ist da, er setzt große Hoffnungen in Flauschi und seine vierbeinigen Kollegen, besonders im Kampf gegen Kinderpornografie: "Ein gut ausgebildeter Hund ist der beste Freund des Ermittlers. Und eine echte Erleichterung."

"Das, was die Hunde da machen, ist Hochleistungssport", sagt Carsten Pitzer, Fachkoordinator für das Diensthundewesen. (Foto: Marcel Kusch/dpa)

Die Zusatzausbildung der Hunde - alle fünf waren davor schon Schutz- und Rauschgiftspürhunde - ist eine Konsequenz aus dem Fall Lügde. Im Falle des massenhaften sexuellen Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz in Ostwestfalen-Lippe kam Deutschlands bis dahin einziger Datenspeicher-Spürhund zum Einsatz. Artus, der sonst in sächsischen Gefängnissen nach Handys sucht, musste damals extra aus Sachsen angefordert werden; er fand am völlig vermüllten Tatort noch einen USB-Stick in einer Sesselritze.

"Warum haben wir so was eigentlich nicht", fragte sich Minister Reul. Und so wurden Flauschi (der eigentlich Alibaba heißt), Herr Rossi, Jupp, Odin und Theo auf Fortbildung ins Diensthunde-Zentrum ins ostwestfälische Stukenbrock geschickt. 20 Tage dauerte das Training der drei- und fünfjährigen Rüden. Ausgewählt wurden nur die talentiertesten Polizeihunde, sie hatten zuvor schon 130 Ausbildungstage zum Schutz- und Rauschgiftspürhund absolviert. Sie müssen hoch motiviert und sozial sein sowie einen ausgeprägten Spieltrieb haben, also Dinge unbedingt und unermüdlich suchen wollen.

Für die Hunde ist die Aufgabe "Hochleistungssport"

Für die Ausbildung eignen sich belgische und holländische Schäferhunde am besten, weil sie intelligent sind und eine schnelle Auffassungsgabe haben. "Das, was die Hunde da machen, ist Hochleistungssport", sagt Carsten Pitzer. Die Körpertemperatur der Tiere erhöht sich im Einsatz, so intensiv riechen sie. Die Suche nach Datenträgern ist für die Hunde viel schwieriger als nach Drogen, denn Rauschgift riecht stärker. Um Datenträger zu finden, müssen die Hunde daher sehr viel näher an die zu durchsuchenden Objekte heran. Daher dauert eine Schnüffel-Einheit auch höchstens 15 Minuten, dann bekommt der Hund eine Pause. Auf welchen Geruch die Hunde genau trainiert sind?

Auf die Chemikalien, die zur Herstellung der Speichermedien verwendet werden. Der Diensthunde-Führer von Artus sagte damals nach dem Lügde-Einsatz, er habe sogar den Eindruck, dass sein Hund Lithium-Ionen-Akkus schneller fände als Handys mit Chrom-Nickel-Batterien. Er gehe daher davon aus, dass Artus Lithium riechen könne.

Nur ins Darknet, da kommen auch Artus, Flauschi und die anderen Hunde leider nicht herein.

© SZ vom 16.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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