NRW:Kurdischer Fußballer Deniz Naki auf Autobahn beschossen

Lesezeit: 2 min

Deniz Naki im Trikot des SC Paderborn. (Foto: Oliver Krato/dpa)
  • Der kurdische Fußballer Deniz Naki wurde in der Nacht zum Montag auf der Autobahn beschossen.
  • Der ehemalige Spieler des 1. FC St .Pauli hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
  • Naki, der wegen seines Einsatzes für die Kurdische Arbeiterpartei PKK verurteilt wurde, vermutet den türkischen Geheimdienst hinter der Tat.

Von Sebastian Fischer

Es geht längst nicht mehr vorrangig um Fußball im Leben des Fußballers Deniz Naki. Und es ging, so viel steht wohl fest, auch nicht um Fußball, als sein Leben in der Nacht zum Montag in großer Gefahr war. Als Schüsse seinen Wagen auf der Autobahn in Richtung Köln trafen.

Der frühere deutsche Juniorennationalspieler Naki, 28, spielt seit fast zweieinhalb Jahren für den türkischen Drittligisten Amed SK in der kurdischen Metropole Diyarbakır, er spielt dort aus Solidarität mit den rund zwölf Millionen Kurden im Land. Im April 2017 verurteilte ihn ein türkischer Richter zu einer Haftstrafe von 18 Monaten auf Bewährung, ihm wurde "Terrorpropaganda" für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Naki selbst sagte stets, dass er nur für Frieden streite, gegen die Regierung Erdoğans, für die Freiheit der Kurden. Er wusste, dass er sich in Gefahr begibt. Am Montag war er schockiert. Er sagte der Welt: "Es hat nicht viel gefehlt. Ich hatte Todesangst."

Wer schoss auf den Fußballer?

Naki ist zu Besuch in seiner Heimat Düren, in der Türkei ist gerade Winterpause. Er war gegen 23 Uhr auf dem Heimweg von einem Freund in Aachen, als seinen SUV auf der A4 zwei Schüsse trafen. Links hinter ihm, sagte Naki, sei ein schwarzer Kombi gefahren. Eine Kugel sei in seinem Auto nahe der Reifen eingeschlagen, eine zweite in der Mitte am Fenster. Die Welt veröffentlichte ein Foto Nakis, auf dem das Einschussloch am vorderen Rand der hinteren Wagentür zu sehen ist. Naki sagte, er habe sich geduckt, sei auf den Standstreifen gerollt und habe die Polizei gerufen. Die Aachener Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen versuchter Tötung gegen Unbekannt aufgenommen. Eine politisch motivierte Tat sei nicht ausgeschlossen.

Naki sagte, dass er den türkischen Geheimdienst hinter der Tat vermute, oder jemanden, "dem meine politische Haltung nicht passt". Die zuständige Staatsanwältin erklärte, Nakis Hinweise ernst zu nehmen. Am Montagnachmittag war er noch nicht vernommen worden, die Untersuchungen am Auto dauerten an.

Naki will sich nicht unterkriegen lassen

Naki hat zuletzt am 10. Dezember eine Halbzeit lang Fußball gespielt, am 3. Dezember hat er zuletzt ein Tor geschossen. Bevor er 2013 in die Türkei wechselte, hatte er jahrelang in der zweiten Bundesliga für den SC Paderborn und den FC St. Pauli gespielt, 2008 war er mit Deutschland Junioren-Europameister geworden, Naki, der dribbelstarke Angreifer. Doch man braucht nur seine Facebook-Seite anschauen, um zu erkennen, was inzwischen seine Prioritäten sind: an Silvester ein Beitrag über eine Zukunft in Frieden; im November ein Post zum 80. Todestag von Seyit Rıza, dem Anführer des letzten großen Kurdenaufstands in der Türkei. In Diyarbakır ist Naki, dessen kurdischer Vater einst nach Deutschland floh, mehr als ein Fußballer, er ist für die Kurden ein Held des Kampfs gegen ihre Unterdrückung.

Doch für viele Türken, für die Regierung, ist er durch sein stetes Drängen auf Frieden in den Kurdengebieten ein Staatsfeind. Das Urteil gegen ihn, das ebenfalls auf Beiträge in den sozialen Netzwerken zurückging, sei politisch motiviert gewesen, berichteten im April Prozessbeobachter. Im August - es war die bislang letzte von vielen verstörenden Nachrichten dieser Art - wurde er mitten im Spiel von einem auf den Rasen gerannten Zuschauer niedergeschlagen. Dass auf ihn geschossen wird, weist darauf hin, welche Dimension seine Kritik erreicht hat. Doch dass man ihn nun auch in Deutschland attackiert, damit habe er nie gerechnet, sagte er.

Am 21. Januar geht die Saison in der Türkei weiter. Naki ist unverletzt, aber wird er spielen? Auf jeden Fall will er weiter seine Meinung sagen. "Ich bleibe der Deniz Naki, der ich bin", sagte er. "Ich lasse mich nicht einschüchtern."

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: