NPD-Hotel in Delmenhorst:Von Bürgern und Baggern

Eine Geschichte der Wehrhaftigkeit: In einem kleinen Städtchen legen die Bürger zusammen und kaufen ein Hotel - damit es die NPD nicht bekommt. Jetzt wird das Gebäude abgerissen.

Ralf Wiegand

Vielleicht ist dies das angemessene Ende der Geschichte: dass ein großer Bagger kommen und alles einfach niederreißen wird, an diesem Dienstag. Schön ist das Hotel am Stadtpark nie gewesen, ein zweckmäßiger Kasten in der Mitte von Delmenhorst, zu hoch, zu breit, zu viel Beton, zu wenig Charme.

NPD-Hotel in Delmenhorst: Jetzt soll nach dem Abriss hier eine Grünfläche entstehen.

Jetzt soll nach dem Abriss hier eine Grünfläche entstehen.

(Foto: Foto: dpa)

Als erste Adresse bediente die Herberge das Klischee des Städtchens, das meistens mit "in der Nähe von Bremen" beschrieben wird, was alles sagt. Jetzt also: Abriss. So hat es der Rat der Stadt Delmenhorst beschlossen.

Es als Denkmal im Zentrum stehen zu lassen, dazu ist das Haus zu hässlich und der Platz zu prominent, direkt gegenüber vom Rathaus. Obwohl das Hotel etwas symbolisiert, was in den Annalen der Stadt überleben wird, wenn der Staub über dem Schuttberg sich längst verzogen haben wird. Das Haus steht für die Wehrhaftigkeit von Bürgern, für Gemeinsinn und Wachsamkeit. Vielleicht steht es auch für einen Millionenbetrug, aber das kann niemand wissen.

"Hamburger Neonazi Jürgen Rieger will Delmenhorster Hotel kaufen" - so fing sie an, die Geschichte, im Sommer 2006. Gerd Renker, Steuerberater aus Ganderkesee, einem Vorort der Stadt, las es eines Morgens in der Zeitung und empfand "pures Entsetzen", wie er sich erinnert. Der Rechtsanwalt Jürgen Rieger, heute stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD, ist eine ernstzunehmende Größe in der rechten Szene, ein Mann mit Einfluss und vor allem ohne Scham.

Ein rechtes Schulungszentrum stelle er sich in der Delmenhorster Innenstadt vor, das Hotel werde Treffpunkt der NPD-Bundesversammlungen. Rieger unternahm mit dem Eigentümer eine Besichtigung, das schürte die Angst und die Sorge.

Der Eigentümer, er hieß Günter Mergel, hatte sich mit der Stadt überworfen. Endlose Streitereien hatte es gegeben, es ging dabei um Freiflächen und Zufahrtsbeschränkungen, solche Sachen. Die Stadt habe ihm die Existenz ruiniert, klagte Mergel. Er sei einfach kein guter Unternehmer, sagten sie bei der Stadt. Mergel schloss sein Hotel und suchte ein Jahr lang vergeblich einen Käufer.

Niemand weiß bis heute, ob der rechte Anwalt aus Hamburg tatsächlich das Geld gehabt hätte, um den Kaufvertrag zu erfüllen. Es gab gerade zu jener Zeit immer wieder Meldungen aus ganz Deutschland, dass schwer verkäufliche Immobilien angeblich ins Interesse von Neonazis rückten. Kaum konnte ein Verkäufer für seinen maroden ostdeutschen Gutshof, seine abgewrackte bayerische Landgaststube oder den stillgelegten Bahnhof einen Neonazi als potentiellen Käufer präsentieren, sprangen die Gemeinden ein.

In Ostdeutschland boten die Rechten solch einen "Immobilienservice" eine Weile sogar gegen Provision als Dienstleistung an. Es funktionierte immer wieder: Ganz in der Nähe von Delmenhorst, in Achim bei Bremen, wollte die NPD mit Rieger angeblich eine Mühle kaufen.

Als das bekannt wurde, genehmigte der Landkreis lieber einen Swinger-Club, um den es zuvor Streit gegeben hatte. Im Zweifel lieber rot als braun - die Umbauten laufen inzwischen.

In Delmenhorst war das alles nicht so einfach. Rieger hatte für das Hotel angeblich 3,4 Millionen Euro geboten. Die Stadt konnte nicht mithalten. Das Land Niedersachsen warnte davor, sich auf einen Poker mit den rechten Spekulanten einzulassen. Andererseits hatte Rieger im Lauf der Jahre viele Liegenschaften tatsächlich gekauft, darunter ein Bundeswehrareal im Landkreis Verden und ein Kino in Hameln. Alt-Nazis vermachten dem Neonazi des öfteren ihr Vermögen, unter anderem so kam er zu Geld.

Bürger gegen Rechts

Gerd Renker, der Steuerberater und Bürgerrechtler, lud seinen Freund Günter Feith, einen Architekten, zu sich nach Hause ein. So lange, wie es dauert, eine halbe Flasche Wein zu trinken, dauerte es auch, einen Plan zu schmieden: Die Bürger sollten das Hotel kaufen. Renker und Feith gründeten die Initiative "Für Delmenhorst" und setzten die Stadt unter Druck, ihr Nein zum Kauf zu überdenken. Eine Bürgerbewegung von links, die Nazis von rechts - die ganze Welt berichtete nun über Delmenhorst.

Fast eine Million Euro sammelte die Initiative, schenkte das Geld der Stadt, die schließlich das Hotel kaufte. Rieger war geschlagen. Dass das eher wider- als freiwillig geschah, zeigt der Fortgang der Geschichte: Zwischen Bürgern und Stadt war keine Einigung über eine sinnvolle Verwendung des Gebäudes zu erzielen. Jetzt soll einfach Gras über die Sache wachsen. Nach dem Abriss des Hotels wird hier eine Grünfläche angelegt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: