Notfälle:Augsburger atmen nach vier Stunden auf

Augsburg (dpa) - Es war ein rund zwölf Stunden langer Ausnahmezustand in Augsburg. Um 5 Uhr morgens hatten die Stadtwerke am ersten Weihnachtsfeiertag mehr als 100 Busse und Bahnen losgeschickt, um 54 000 Bewohner bei der größten Evakuierung wegen einer Bombenentschärfung in Deutschland in Sicherheit zu bringen.

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Augsburg (dpa) - Es war ein rund zwölf Stunden langer Ausnahmezustand in Augsburg. Um 5 Uhr morgens hatten die Stadtwerke am ersten Weihnachtsfeiertag mehr als 100 Busse und Bahnen losgeschickt, um 54 000 Bewohner bei der größten Evakuierung wegen einer Bombenentschärfung in Deutschland in Sicherheit zu bringen.

Die zwei Mitarbeiter des Bombenräumkommandos arbeiteten über Stunden allein in einem Sperrgebiet von eineinhalb Kilometern um die Bombe herum. Mehrere Zünder mussten aus der Fliegerbombe, die viel größer war als übliche Blindgänger, entfernt werden. Die gegen 15 Uhr begonnene Aktion zog sich in die Länge und strapazierte die Nerven von Krisenstab und betroffenen Bürgern. Erst gegen 19 Uhr konnten die Bombenspezialisten vermelden, dass sie die 1,8 Tonnen schwere britische Luftmine unschädlich gemacht hatten.

Zuvor konnte Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) über Stunden nichts tun, als seine Bürger um Geduld zu bitten. Die rund 4000 Einsatzkräfte mussten sich zudem mit einigen Gerüchten herumschlagen, die in der Stadt die Runde machten. So mussten sie dementieren, dass eine "kontrollierte Sprengung" der riesigen Weltkriegs-Bombe geplant sei.

Die in der Sperrzone lebenden Augsburger waren tagelang darauf vorbereitet worden, dass sie an Weihnachten ihre Wohnungen verlassen müssen. Doch Bahnen und Busse blieben oft fast leer, auf den Straßen waren nur relativ wenige Autos unterwegs. Offenbar hatten viele das gemacht, worauf die Behörden schon in den Tagen seit dem Bombenfund am Dienstag gehofft hatten: Sie waren an Heiligabend zu ihrer Familie oder zu Freunden gefahren, manche auch verreist.

Während rund 900 Polizisten zusammen mit Hunderten Feuerwehrkräften gegen 11.00 Uhr durch die Stadt fuhren und mit Lautsprecherdurchsagen nochmals auf die Räumungsanordnung hinwiesen, berichtete die Stadtverwaltung in ihrem Internetticker: "Die Atmosphäre in der Stadt ist gespenstisch. Kein Mensch auf den Straßen, kein Gesicht hinter den Fensterscheiben." Wenige Stunden später brach die Homepage zusammen - zu viele Menschen wollten sich via Internet über die Lage informieren.

Da waren die zwei Spezialisten des Kampfmittelräumdienstes Tauber aus Würzburg bereits hochkonzentriert bei der Arbeit. Ein Kollege von ihnen hatte zuvor betont, beide seien trotz der gefährlichen Aufgabe "gut drauf". Für den Fall, dass doch etwas schief geht, war um die Bombe ein meterhoher Schutzwall aus Sandsäcken errichtet worden. Dies sollte im Fall der Fälle die Druckwelle der mit eineinhalb Tonnen Sprengstoff gefüllten Luftmine mindern. Die beiden Experten hätten eine Explosion keinesfalls überlebt, machte das Unternehmen klar.

"Wir haben hier in Augsburg so ein Riesen-Ding noch nicht gehabt", sagte Polizeisprecher Manfred Gottschalk zur Dimension der Bombe. Dabei hat Augsburg viel Erfahrungen mit Blindgängern: Als wichtiger Rüstungsstandort der Nazis, beispielsweise mit den Messerschmitt-Flugzeugwerken, war die Stadt mehrfach Ziel alliierter Bomberpiloten.

Groß war die Erleichterung aller, als am Sonntagabend die erlösende Nachricht von der gelungenen Entschärfung die Runde machte. Zahlreiche Menschen kehrten noch am Abend in ihre Wohnungen zurück. Der Transport betreuungsbedürftiger Menschen werde wahrscheinlich noch bis zum Dienstag andauern, erklärte ein Polizeisprecher am Montagmorgen. Bislang laufe alles nach Plan.

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