Süddeutsche Zeitung

Prozessbeginn:Drei Zellen sind Breivik zu wenig

Der Massenmörder Anders Behring Breivik hat den norwegischen Staat verklagt, weil er mehr Luxus will. Nun beginnt der Prozess in einer Gefängnisturnhalle.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Ein fairer Prozess für den Massenmörder, daran hielten sich die Norweger nach dem 22. Juli 2011 fest. Damals hat Anders Behring Breivik acht Menschen mit einer Bombe in Oslo getötet und 69 auf der Insel Utøya niedergeschossen, die meisten waren minderjährig. Die Norweger begegneten der unfassbaren Tat, indem sie sich auf die Werte ihrer Gesellschaft stützten. Sie sollte der Terrorist nicht angreifen können. Dazu gehört sein Recht auf ein Verfahren, dieselben Grundrechte wie für jeden.

Breivik, der nie Reue gezeigt und seine krude, rassistische Ideologie nie abgelegt hat, hat diese Rechte seither immer wieder ausgetestet. Mehrmals hat er sich über die Haftbedingungen beschwert. Nun klagt er gegen den norwegischen Staat, bezieht sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention.

Erniedrigend oder erlaubt?

Die Isolationshaft, in der er seit mehr als viereinhalb Jahren sitzt, sei "unmenschlich" und "erniedrigend", argumentiert sein Anwalt Øystein Storrvik. Die Bedingungen liegen "gut innerhalb des Rahmens, was erlaubt ist", sagt dagegen Marius Emberland, der die Regierung vertritt.

Der Prozess beginnt diesen Dienstag, Breivik wird das Gefängnis in Skien, 130 Kilometer südwestlich von Oslo, dafür nicht verlassen. Die Knast-Sporthalle wurde für ihn zum Gerichtssaal umfunktioniert. Vier Tage soll das Verfahren dauern, teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Im August 2012 ist Breivik zu 21 Jahren Haft verurteilt worden, Höchststrafe. Anschließend ist eine Sicherheitsverwahrung möglich. Er sitzt im Hochsicherheitstrakt von Skien, hat keinen Kontakt zu anderen Häftlingen. Ihm stehen drei Zellen zur Verfügung, eine zum Leben, eine zum Studieren, eine zum Trainieren, so beschreibt es Regierungsanwalt Emberland in seiner Erklärung vor Prozessbeginn.

Breivik könne selbst kochen und seine Wäsche waschen. Er habe einen Fernseher, eine Playstation und Zugang zu einem Computer ohne Internet. Jeden Tag darf er auf den Hof an die Luft. Er habe Kontakt zum Gefängnispersonal und einem Priester sowie Telefon- und Briefkontakt zur Außenwelt.

"Der Kläger ist weder sozial noch sensorisch isoliert", so Emberland. Breiviks Briefe zu kontrollieren halten die Behörden für notwendig, weil der Gefangene versuche, ein terroristisches Netzwerk aufzubauen.

"Deutliche Isolationsschäden"

Breiviks Anwalt Øystein Storrvik argumentiert, dass es die Briefzensur unmöglich mache, persönliche Beziehungen aufzubauen. Dies sei auch mit dem Gefängnispersonal nicht möglich. In den ersten beiden Jahren sei seine Mutter der einzige private Besuch gewesen, kurz bevor sie 2013 starb.

Auch er als sein Anwalt könne nur durch eine Glaswand mit dem Gefangenen sprechen. Breivik zeige "deutliche Isolationsschäden", so Storrvik. Wenn nötig, will er bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen.

Die Sorge der Angehörigen

Lisbeth Kristine Røyneland leitet die Unterstützungsgruppe für Angehörige und Opfer der Anschläge. Der Fall sei "absurd", sagt sie, "wenn man bedenkt, was er getan hat". Ihre Sorge ist, dass der Terrorist den Prozess nutzen will, um über seine extremistischen Ideen zu sprechen.

Sie selbst hat auf den Zuschauerplatz in Skien verzichtet und verfolgt den Prozess via Videoübertragung im Osloer Gericht. Wenn sie wolle, könne sie dann zwischendurch einfach rausgehen, sagt sie.

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SZ vom 15.03.2016/kat
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