Über Kunst wird viel und gerne gestritten, zumal wenn es um Politik geht, aber bevor sich jetzt gleich wieder jemand aufregt, das Wichtigste zuerst: Die Einbrecher haben das Diebesgut freiwillig zurückgegeben, Maria und Jesus haben ihren Josef wieder und Josef muss auch nicht nach Afghanistan, das sind die Fakten. Alles ist gut. "Gott sei Dank", schrieben die Westfälischen Nachrichten.
Passiert war nämlich Folgendes: Unbekannte hatten aus der Kirche Sankt Joseph in Münster am Wochenende die Holzfigur des Josefs aus der Krippe entwendet. Am Samstagnachmittag stand Josef dann wieder neben seiner Maria, vor der Krippe lag nun ein Abschiebebescheid, "der Asylantrag des Josef von Nazareth" sei "als unzulässig abgelehnt worden", stand da drauf, ein Papier, das aussah, als komme es tatsächlich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
"Josef abgeschoben"
Das Ganze enthielt dann aber noch einen Hinweis, es handle sich um eine "politische Kunstaktion", man wolle auf die "inhumane Abschiebepraxis und auf das 100-jährige Bestehen von Abschiebehaftanstalten in Deutschland" hinweisen. Deswegen sei am Samstag "aus den Krippen mehrerer Kirchen in Münster die Figur des Josef abgeschoben worden", mit den Kirchen sei die Aktion nicht abgestimmt gewesen.
Über den künstlerischen Wert der Aktion lässt sich natürlich streiten, ganz sicher aber kann man sagen: Es sind gerade ganz gute Zeiten für den künstlerischen Aktivismus. Die kubanische Performance-Künstlerin Tania Bruguera hat mal geschrieben, Kunst sei nur nützlich, wenn sie "in die Häuser und Leben der Menschen eindringe" (und damit ganz sicher auch Kirchen gemeint).
Ganz gerne kommentieren, kritisieren, verreißen und attackieren Künstler gerade das politische Tagesgeschehen, das Thema Migration hat dabei Hochkonjunktur. Ein paar Beispiele, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Ai Weiwei hängte 2016 knallorange, angeblich von Flüchtlingen stammende Schwimmwesten an das Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin.
100 symbolische Gräber
Das Künstlerkollektiv "Zentrum für politische Schönheit" hatte ein Jahr zuvor im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge exhumieren lassen, nach Berlin gebracht und dort auf einem Friedhof erneut beerdigt. "Die Toten kommen" nannte das Kollektiv die Aktion. Auf dem Rasen vor dem Bundestag hoben die Künstler ein paar Tage später 100 symbolische Gräber aus.
In der Geschichte politischer Kunst- und Protestaktionen nimmt jene der Schwedin Elin Ersson eine Sonderstellung ein. Im Juli des vergangenen Jahres weigerte sich die Studentin kurz vor dem Abflug ihres Flugzeugs, ihren Sitzplatz in der Maschine einzunehmen. Sie protestierte gegen die Abschiebung eines an Bord sitzenden Afghanen, der in sein eher nicht so sicheres Herkunftsland geflogen werden sollte. Andere Passagiere schimpften, einer nahm Ersson das Handy weg, das war auf Videoaufnahmen zu sehen.
Die Studentin aber blieb standhaft, irgendwann sprangen ihr andere Passagiere bei. Der Mann wurde nicht abgeschoben. Erssons Aktion hat ihn vor der Reise in eine womöglich gefährliche Zukunft bewahrt, vielleicht hat sie ihm ja sogar das Leben gerettet. Was für eine Kunst!