Nordrhein-Westfalen:Giftige Baustelle

Die marode Autobahnbrücke an der A 1 droht zum Mahnmal zu werden, und zwar "für den katastrophalen Zustand der deutschen Infrastruktur", wie der Verkehrsminister es formuliert. Auf einer Sondermülldeponie soll ein Neubau entstehen.

Von Bernd Dörries, Düsseldorf

Die Leverkusener Autobahnbrücke der A 1 hat keinen Namen, sich in den vergangenen Jahren aber durchaus einen Namen gemacht - allerdings nicht so sehr als Brücke, die sie ja hauptsächlich ist. Sondern als Dauerbaustelle, als Symbol und "Mahnmal für den katastrophalen Zustand der deutschen Infrastruktur", wie es der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Michael Groschek einmal sagte.

Seit Jahren kann die Brücke mitten im industriellen Herzen Deutschlands nicht mehr von Lastwagen mit mehr als 3,5 Tonnen befahren werden, der mehr als 50 Jahre alte Stahl ist mürbe geworden. Damals wurde die Brücke für 40 000 Autos geplant, heute sind es dreimal so viele. Lkw, die die Bayer- oder Ford-Werke direkt neben der Brücke anfahren wollen, müssen weite Umwege nehmen. Die Industrie dringt seit Jahren auf eine Sanierung. Der Zustand der Stahlkonstruktion ist aber so schlecht, dass bis 2020 ein kompletter Neubau entstehen soll, der Bund hat bereits etwa 750 Millionen Euro bewilligt.

Ein Neubau auf einer Deponie? Das ging schon mal schief, drüben in Köln

Die Brücke könnte dann ein Symbol dafür werden, dass Deutschland seine Infrastruktur erneuert. Es könnte aber auch die nächste Großbaustelle werden, bei der Zeit- und Kostenplan nicht eingehalten werden. Für die neue Brücke muss auf der Leverkusener Seite eine versiegelte Mülldeponie aufgebrochen und entsorgt werden. Verkehrsmister Groschek und der Bauherr Straßen-NRW halten die Risiken für überschaubar, etwa 150 Bodenproben seien genommen worden, nur acht Prozent der Müllkippe seien problematisch, sagte eine Gutachterin. Der grüne Landtagsabgeordnete Arndt Klocke spricht hingegen von der "wahrscheinlich gefährlichsten Sondermülldeponie Deutschlands".

In den 1920er-Jahren wurde die Deponie aufgeschüttet, sie diente zugleich als Damm gegen das Rheinhochwasser. Aus den Siedlungen kam Bauschutt, aus dem Bayer-Werk nebenan alles Mögliche, was bei der Chemie-Produktion so anfiel. "Wenn ein solcher Deponiekörper geöffnet werden soll, müssen die Verantwortlichen entweder sehr unwissend oder sehr rücksichtslos sein", sagte der ehemalige Bayer-Chemiker und Grünen-Politiker Rainer Welte dem Kölner Stadt-Anzeiger. Bayer und das Verkehrsministerium halten die Risiken dagegen für beherrschbar.

Dabei gibt es durchaus Anzeichen, dass die Deponie so etwas ist wie die Büchse der Pandora. Auf der Deponie wurden in den 90er-Jahren Häuser gebaut, danach erkrankten auffällig viele Bewohner an Krebs. Die Siedlungen wurden schließlich abgerissen, die Ursache der Erkrankungen ist bis heute nicht geklärt. Die Deponie wurde 2003 versiegelt.

Die Brücke auf dem Deponiegelände und die Beteuerungen der Politik erinnern die Anwohner an einen Fall in Köln. Da wurde der zentrale Landeplatz für Rettungshubschrauber ebenfalls auf einer Mülldeponie errichtet. Noch vor der Eröffnung ist der Landeplatz ins Rutschen geraten, Millionen Euro an Folgekosten drohen. Der Bund erwartet für die Leverkusener Deponie ein ähnliches Szenario. Die Öffnung sei "blauäugig".

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