Süddeutsche Zeitung

Nordkorea:Die Spur des Giftes

  • Nach der Obduktion der Leiche von Kim Jong-nam ist das Gift, das den Halbbruder des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un tötete, identifiziert.
  • Der nordkoreanische Botschafter in Malaysia versuchte mit allen Mitteln, eine Obduktion zu verhindern.
  • Der Direktor des "Weltzentrums für Nordkorea-Forschung" sagte, Pjöngjang sei bekannt dafür, attraktive Frauen als Agentinnen und für Mordanschläge einzusetzen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Die Obduktion der Leiche von Kim Jong-nam ist abgeschlossen. Das Gift, das den Halbbruder des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un tötete, sei identifiziert, gab die Justiz in Kuala Lumpur am Donnerstagabend bekannt. Die Substanz nannte sie noch nicht. Der malaysischen Polizei gelang es zugleich, die zweite Täterin und einen der vier mutmaßlichen Komplizen zu verhaften. Der nordkoreanische Botschafter in Malaysia versuchte mit allen Mitteln, eine Obduktion zu verhindern. Er verlangte die sofortige Überstellung des Leichnams nach Pjöngjang, die malaysische Justiz wies ihn ab.

Nach Informationen des Senders "Radio Free Asia" hatte der Jungdiktator seinen Geheimdienst beauftragt, den älteren Bruder nach Pjöngjang zurückzuholen, nachdem nordkoreanische Diplomaten ihn zweimal, im Dezember und im Januar, getroffen und aufgefordert hatten, zusammen mit seinem Sohn Han-sol freiwillig zurückzukehren. Kim Jong-nam ist auf diese Forderung nicht eingegangen. Der 45-Jährige war der älteste Sohn des früheren Diktators Kim Jong-il und lebte seit Jahren in China. Die chinesische Führung hatte einst auf ihn gesetzt, sie bot ihm noch immer Personenschutz. In der Woche, die er in Malaysia verbrachte, war er allerdings ohne Leibwächter unterwegs.

In Seoul geht man von nordkoreanischen Agentinnen aus

Eine der beiden tatverdächtigen Frauen war mit einem vietnamesischen, die andere mit einem indonesischen Pass unterwegs. In Seoul geht man gleichwohl davon aus, dass sie nordkoreanische Agentinnen sind. Ahn Chan-il, der Direktor des "Weltzentrums für Nordkorea-Forschung" sagte, Pjöngjang sei bekannt dafür, attraktive junge Frauen als Agentinnen einzusetzen, insbesondere auch für Mordanschläge mit Giftnadeln.

Bis vor Kurzem bezahlte Pjöngjang dem 45-Jährigen den Lebensunterhalt im Exil, so Koh Yu-hwan, Professor für Nordkorea-Studien der Dongguk-Universität in Seoul. Kim Jong-un habe die Zahlungen jedoch gestoppt, danach aber befürchtet, sein Halbbruder würde politisches Asyl in Südkorea oder in den USA beantragen, wie in jüngster Zeit eine Reihe hochrangige Kader. Anders als sie war Kim Jong-nam jedoch "keine unmittelbare Bedrohung für den nordkoreanischen Führer", wie die Agentur Yonhap einen Überläufer zitierte.

Nordkoreas Staatsmedien haben Kim Jong-nams Tod bisher nicht gemeldet. Kim Jong-un und seine Kamarilla feierten am Donnerstag den Geburtstag des "Großen Führers" Kim Jong-il, des gemeinsamen Vaters der beiden Brüder. Dieser wurde nach seinem Tod im Dezember 2011 posthum zum "ewigen Generalsekretär" der nordkoreanischen Arbeiterpartei befördert. Südkoreanische Propaganda-Lautsprecher, die seit einem Jahr wieder eingeschaltet sind, plärrten die Nachricht bereits am Mittwoch über die innerkoreanische Grenze.

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SZ vom 17.02.2017/fie
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