Kunstdiebstahl in Österreich:Wo ist das blutige Hemd von Herrn Nitsch?

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Der österreichische Maler und Aktionskünstler Hermann Nitsch (Foto: picture alliance/dpa)

Hermann Nitsch ist bekannt für seine Kunstaktionen, bei denen viele Liter Blut fließen. Eine dieser Darbietungen ist nun ein Fall für die Polizei.

Interview von Martin Zips

Die Landespolizeidirektion Niederösterreich behandelt den Fall als Kunstdiebstahl: Gesucht wird ein mit Blut beschmiertes Hemd aus einer Kunstaktion von Hermann Nitsch, 80, dem wohl bedeutendsten österreichischen Gegenwartskünstler.

SZ: Herr Nitsch, wer, glauben Sie, hat das Hemd geklaut?

Hermann Nitsch: Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt ist das für mich auch alles nur eine Bagatelle. Ganz unwichtig. Wichtig war mir die zweistündige Kunstaktion im vergangenen September, aus der es stammt. Mit mehr als 200 Akteuren zu meinem 80. Geburtstag in Mistelbach. Es sind auch 150 Liter Blut zum Einsatz gekommen.

Und sehr viel weiße Kleidung.

Nach unseren Aktionen gibt es immer sogenannte Relikte. Materialien, Tücher, Bildflächen, die beschmutzt und befleckt wurden. Die besonders interessanten Objekte werden später aussortiert und von mir signiert.

Befand sich auf dem Hemd bereits Ihre Unterschrift?

Nein.

Sonst könnte man es gut verkaufen. Ihre Werke erreichen recht hohe Summen.

Über Kunstpreise gebe ich keine Auskunft. Ich bin Künstler und kein Händler. Ich war Professor in Hamburg und Frankfurt und mache auf der ganzen Welt Aktionen. In Neapel gibt es sogar ein zweites Hermann-Nitsch-Museum.

Sagt man dort auch "es nitschelt", wenn besonders viel Kunstblut im Einsatz ist?

Sie meinen wie im Theater? Haben Sie noch nie vom neapolitanischen Blutwunder gehört? Verflüssigt sich das Blut des Heiligen San Gennaro, so verspricht das Glück für die ganze Stadt. Also in Sachen Blut waren die Neapolitaner schon weit vor mir dran. Da werde ich fast noch mehr geschätzt als bei mir zu Hause.

Der Pfarrer von Mistelbach hingegen, wo das österreichische Nitsch-Museum zu Hause ist, soll Sie einmal als "Antichrist" beschimpft haben.

Der neue Pfarrer aber ist sehr nett. Mit dem habe ich ein wirklich gutes Verhältnis. Wissen Sie, mich faszinieren eigentlich alle Religionen, ich gehöre nur keiner an.

Hat sich möglicherweise einer der Darsteller das Hemd unter den Nagel gerissen?

Ohne meine Akteure wäre meine Kunst unmöglich. Die unterstützen mich seit 50 Jahren. Und bezahlt werden sie meist nicht. Aber wenn mich ein Akteur um ein Relikt bittet, sage ich selten nein.

Herr Nitsch, mit Ihrer Kunst wollen Sie bei den Menschen durch Ekel und Abscheu Reinigung bewirken. Klappt das denn?

Ich hoffe, in der Nachfolge von Nietzsche, Freud und C.G. Jung viel Aufklärung geleistet zu haben. Schauen Sie sich die Dramen der Weltliteratur an: Da geht es immer um Katastrophen. Um Blut, Mord und Totschlag. Dadurch, dass wir uns damit künstlerisch beschäftigen, so hoffe ich, reinigen wir uns von diesen negativen Impulsen. Und wenn sich die Tierschützer darüber aufregen, dass ich manchmal mit geschlachteten Tieren arbeite, kann ich nur sagen: Die Tierfabriken und der übertriebene Fleischgenuss sind doch deutlich schlimmer. Die gilt es zu bekämpfen.

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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