"Niklas":Nach dem Sturm ist vor dem Schnee

Unwetter - Sturm - Windräder

Zu viel des Guten: Zahlreiche Windkrafträder (hier in Recklinghausen) wurden wegen des Sturms abgestellt.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)

Elf Tote: "Niklas" gehört zu den schwersten Orkanen der vergangenen Jahrzehnte.

Von Birgit Lutz

Auch am Tag nach Niklas stand Deutschland unter dem Eindruck des Sturms. Am Mittwoch blieben Zug- und S-Bahnstrecken gesperrt, vereinzelt stürzten abermals Bäume auf Fahrbahnen, und in den Höhenlagen erreichten Sturmböen noch immer Orkanstärke.

In Mecklenburg-Vorpommern starb ein 53-jähriger Lastwagenfahrer, nachdem der Anhänger eines anderen Lastwagens bei starkem Wind auf die Gegenfahrbahn geraten war. Elf Menschen kamen damit durch den Sturm zu Tode, zahlreiche weitere wurden verletzt. Mehr als tausend Reisende mussten die Nacht von Dienstag auf Mittwoch in Zügen verbringen, weil sie nicht mehr weiterfahren konnten und Hotels ausgebucht waren. Wegen umgestürzter Bäume war der Bahnverkehr auf vielen Strecken im Bundesgebiet eingestellt worden. Deutschlandweit wurden 22 Übernachtungszüge in 20 Bahnhöfen bereitgestellt, darunter Berlin, Frankfurt und am Münchner Ostbahnhof. Die meisten Fahrgäste blieben in Niedersachsen auf der Strecke; rund 1000 Fahrgäste übernachteten allein in Hannover in beheizten Intercitys und ICEs. Zuletzt war der Einsatz von Übernachtungszügen 2007 nötig geworden, als der Sturm Kyrill über Deutschland hinwegzog.

Vergleiche mit Kyrill waren am Tag des Aufräumens oft zu hören. Niklas gehört zu den stärksten Stürmen der vergangenen 30 Jahre: "Dies gilt sowohl für die Spitzenwerte als auch für die Durchschnittswerte", sagte Meteorologin Christiana Lefebvre vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Die Sturmböen hatten eine Stärke von bis zu 192 km/h erreicht. Hohe Mittelwerte könnten noch schwerere Schäden anrichten als einzelne Böen, "weil sie dauerhaft auf Bäume und Dächer einwirken", erklärte Lefebvre. In den Mittelwerten sei Niklas auch stärker gewesen als Christian, der am 28. Oktober 2013 vor allem im Norden schwere Schäden angerichtet hatte. Die Wucht von Kyrill allerdings hat er nicht übertroffen: Die Böen des bisher folgenschwersten Wintersturms hatten mehr als 200 km/h erreicht. Der Orkan richtete vor acht Jahren einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 4,2 Milliarden Euro an und kostete die Versicherer mehr als zwei Milliarden Euro.

Das Forstministerium rät: An den Feiertagen lieber nicht im Wald spazieren gehen

Wie groß die Sachschäden sind, die Niklas verursacht hat, lässt sich momentan noch nicht beziffern, erste Schätzungen der Versicherer deuten aber nicht auf Rekordschäden hin, sagte ein Sprecher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin.

In Südbayern verwandelte sich der Orkan in der Nacht zum Mittwoch in einen Schneesturm mit starken Gewittern. In den Berglagen wird es deshalb weiße Ostern geben: In den nächsten Tagen bleibt die Schneefallgrenze zwischen 600 und 1000 Metern - allein bis zum Karsamstag sollen in höheren Lagen bis zu 80 Zentimetern Neuschnee fallen. Als Folge des Sturms und des Neuschnees ist deshalb mitten in den bei Skifahrern sehr beliebten Osterferien die Lawinengefahr in den Alpen deutlich angestiegen: Auf den zuvor durchfeuchteten und instabilen Schnee seien teils erhebliche Mengen Neuschnee gefallen, erklärt der Leiter des Tiroler Lawinenwarndienstes, Rudi Mair. Die Gefahrenstufe wurde deshalb in Bayern auf Stufe drei (erheblich) angehoben, in der Silvretta, den Zillertaler, Ötztaler und Stubaier Alpen auf Stufe vier (groß) auf der fünfstufigen Skala. Ähnlich ist die Lage in Südtirol. Die Warndienste mahnen deshalb zu großer Vorsicht im freien Gelände.

Im gesamten Bundesgebiet solle man an den Osterfeiertagen außerdem von Waldspaziergängen absehen, zumindest aber sehr achtsam sein: Auch wenn der Sturm sich beruhigt habe, müsse in den Wäldern mit umstürzenden Bäumen und herabfallenden Ästen gerechnet werden, und umgestürzte Bäume stünden oft unter großer Spannung, warnte der bayerische Forstminister Helmut Brunner (CSU). Wie groß diese Gefahr noch ist, zeigte sich am Mittwoch bei Aufräumarbeiten: Ein 24-jähriger Feuerwehrmann wurde bei Bonn von einem umfallenden Baum getroffen und schwer verletzt, zwei seiner Kollegen erlitten Knochenbrüche.

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