Süddeutsche Zeitung

Angeblicher Wolfsbiss:Ein Tier, das menschliche Urängste auslöst

  • Im niedersächsischen Bülstedt ist ein Mann offenbar von einem Wolf gebissen worden.
  • Eine DNA-Analyse, die feststellt, ob es sich tatsächlich um einen Wolf handelt oder nicht, steht noch aus.
  • Sollte sich der Fall bestätigen, müsse der Wolf "so schnell wie möglich getötet werden", sagte SPD-Umweltminister Olaf Lies.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Das ist jetzt mal eine Gruselgeschichte so kurz vor der Adventszeit. Wie im Schauermärchen, zum Glück geht die Sache einigermaßen gut aus. Jedenfalls für den Menschen, bei den Tieren wird man nun sehen müssen. Ein Mann wurde in Niedersachsen von einem Wolf gebissen, heißt es - an einem Friedhof! Die Nachricht ist natürlich besonders schaurig, weil angeblich seit 150 Jahren keine Menschen in Deutschland mehr von Wölfen gebissen wurden. Das hatte außer mit der zwischenzeitlichen Ausrottung der deutschen Wölfe auch damit zu tun, dass Wölfe Menschen gewöhnlich aus dem Weg gehen. Was also war da los? Was hat die Sache zu bedeuten?

Der Gebissene ist 55 Jahre alt und war am Zaun der letzten Ruhestätte von Bülstedt im Landkreis Rotenburg beschäftigt. Er habe gekniet und mit seiner Hand nach hinten gegriffen, präzisiert die Polizeimeldung. "Plötzlich stellte er fest, dass sie scheinbar von hinten gehalten wurde. Er blickte sich um und erkannte einen Wolf, der nach seiner Hand geschnappt hatte." Drei weitere Wölfe eines Rudels hätten "die Aktion mit etwas Abstand beobachtet." Der Angegriffene habe sich mit einem kleinen Hammer verteidigt und den Wolf an der Pfote verletzt, ergänzte der Bürgermeister Frank Holle aus der Samtgemeinde Tarmstedt im NDR, danach seien die Wölfe geflüchtet. "Wir gehen davon aus, dass es ein Wolf war", so Holle, denn es sei relativ unwahrscheinlich, dass sich Hunde im Rudel zusammenrotten würden.

Eine eilige DNA-Analyse soll Anfang kommender Woche Gewissheit schaffen. Biologen des niedersächsischen Wolfsbüros haben am Tatort wie Kriminalisten nach Spuren gesucht, auf dem trockenen, eiskalten Boden nicht ganz einfach. Sie fanden Haare. Wolfshaare? Auch der Pullover und der Hammer des Opfers werden geprüft. Es geht bei dem Vorfall und seinen Folgen immerhin um menschliche Urängste. Und um ein Politikum: das künftige Leben mit dem Wolf.

Im 19. Jahrhundert waren die Raubtiere solange gejagt worden, bis sie verschwanden. Seit ein paar Jahren sind wieder einige Wölfe da, gut 160 in mehreren Rudeln allein in Niedersachsen. Dort und in anderen Bundesländern werden immer mehr Schafe gerissen, weshalb die Schäfer nicht nur Zäune aufstellen und Bürgerinitiativen gründen, sondern auch den Abschuss von Wölfen fordern. Noch ist der Wolf geschützt, er steht auf der Liste bedrohter Arten, trotzdem werden immer wieder Kadaver illegal getöteter Wölfe gefunden.

Dem niedersächsischen SPD-Umweltminister Olaf Lies war die Debatte schon vor diesem Krisenfall ein ernstes Anliegen, er hat mit den Kollegen aus Sachsen und Brandenburg eine Wolfsinitiative im Bundesrat eingebracht. Problemwölfe abschießen wie 2016 das auffällige Exemplar MT6, Kosename "Kurti"? Sollte sich der Wolfsbiss am Friedhof im Labor bestätigen, dann so das Umweltministerium in Hannover, "muss das Tier im Rahmen einer Maßnahme zur Gefahrenabwehr so schnell wie möglich getötet werden."

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SZ vom 30.11.2018/eca
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