Niedersachsen:Eltern lassen Tochter Gesicht "wegfaulen"

Ihre Lippen und ihre Nase sind verschwunden: Trotz einer Hautkrankheit verweigerten Eltern in Niedersachsen ihrer geistig behinderten Tochter jahrelang den Arztbesuch - die 31-Jährige war nicht krankenversichert. Nun ermittelt die Polizei wegen schwerer Körperverletzung.

Eine geistig behinderte Frau aus dem Landkreis Gifhorn in Niedersachsen hat wegen mangelnder medizinischer Versorgung ihr Gesicht verloren. Die Eltern der 31-Jährigen seien trotz einer sehr schweren, jahrelangen Hautkrankheit nicht mit ihrer Tochter zum Arzt gegangen, sagte ein Polizeisprecher.

Der jungen Frau sei deshalb das Gesicht "weggefault", es existiere praktisch nicht mehr: "Der ganze Kiefer ist weg, die Frau hat keine Lippen und keine Nase mehr." Das Gesicht kann nach Angaben der Polizei nicht mehr wiederhergestellt werden. Die Polizei ermittelt jetzt wegen schwerer Körperverletzung durch Unterlassen gegen die Eltern. Bei einer Verurteilung droht ihnen eine mehrjährige Haftstrafe.

Die Verletzungen seien nach und nach in den vergangenen Jahren entstanden, sagte die 61-jährige Mutter den Beamten. Einen Arzt habe sie nicht aufgesucht, da die Tochter nicht krankenversichert gewesen sei. Deshalb hatte die Mutter ihre Tochter selbst zu behandeln versucht.

Die Polizei hatte die Familie vor zwei Wochen zusammen mit Mitarbeitern des Gesundheitsamtes nach einem Hinweis aus der Verwandtschaft besucht. Das Erscheinungsbild der 31-Jährigen habe selbst die erfahrenen Ermittler erschreckt. "Das ist der blanke Horror", sagte der Polizeisprecher.

Die Hautkrankheit sei vor etwa vier Jahren bei der Tochter ausgebrochen, seitdem habe die Familie sehr abgeschottet gelebt. Die Nachbarn hätten zwar gewusst, dass das Ehepaar eine Tochter hatte, sie hätten die Frau aber nie zu Gesicht bekommen, sagte der Polizeisprecher.

Von der Krankheit ist den Angaben zufolge nur das Gesicht betroffen. Eine Ärztin des Gesundheitsamtes ließ die Frau, die sich nach Polizeiangaben nicht artikulieren kann, umgehend in ein Krankenhaus einweisen. Das Amtsgericht Gifhorn erließ einen Beschluss zur Betreuung der jungen Frau.

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