Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Ein Anruf bei":Die Epidemie-Ausstellung, die der Epidemie zum Opfer fiel

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Im niederländischen Leiden wollte ein Museum historisch darstellen, dass jederzeit überall eine tödliche Krankheit droht. Dann kam Corona.

Interview von Max Sprick

Der vergangene Mittwoch sollte ein besonderer Tag werden für das Rijksmuseum Boerhaave in Leiden, der Geburtsstadt Rembrandts, die zwischen Den Haag und Amsterdam liegt. König Willem-Alexander hatte sich angekündigt, um eine besondere Ausstellung zu eröffnen: "Besmet!" (deutsch: "Infiziert!") - eine Ausstellung über Epidemien im Wandel der Zeit. Dass es dazu dann nicht kam, liegt an einer Epidemie, ausgerechnet. Museumsdirektor Amito Haarhuis musste sein Museum wegen des Coronavirus schließen.

SZ: Herr Haarhuis, Ihre aktuelle Situation ist schon ein wenig ironisch, oder?

Amito Haarhuis: Natürlich. Das Ziel unserer Ausstellung sollte sein, den Menschen vor Augen zu führen, dass jederzeit eine neue Epidemie ausbrechen könnte, begonnen bei der Pest im 14. Jahrhundert. Die Geschichte lehrt uns, dass es immer mal wieder zu tödlichen Ausbrüchen von Krankheiten kommt. Dann wurden wir von den Entwicklungen eingeholt - jetzt brauchen wir niemanden mehr vor einer Epidemie warnen. Jeder sieht die Gefährlichkeit. (Haarhuis niest)

Gesundheit!

Entschuldigung. Aber keine Sorge, ich leide nicht an Corona, nur unter den Pollen.

Wie werden Sie nun mit dem Virus umgehen?

Nun, wir hatten uns zwei Jahre auf unseren Dreh vorbereitet. Unser roter Faden war die "Krankheit X" - eine unbekannte Krankheit, von der jeder weiß, dass sie plötzlich auftreten wird. Aber keiner kann sagen, wann und wo.

Und dann springt auf einem Fischmarkt in China ein Virus vom Tier auf den Menschen über.

... und überholt unseren roten Faden. Also nutzen wir jetzt die Zeit, um einen neuen zu entwickeln: Wir werden die historischen Pandemien mit der aktuellen verbinden. Dabei dann die Monate der Coronakrise reflektieren und untersuchen, welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft hat. Zeigen werden wir auch die wissenschaftlichen Entwicklungen durch Corona, die Suche nach einem Impfstoff zum Beispiel oder ein neu entwickeltes Beatmungsgerät und natürlich die verschiedenen Formen von Mundschutz-Möglichkeiten.

Als sie zum ersten Mal vom Ausbruch eines neuartigen Virus in Wuhan hörten, hätten Sie gedacht, dass daraus diese "Krankheit X" werden könnte?

Sofort! Wir dachten: Was für ein Zufall! Ich muss allerdings auch gestehen, dass wir nicht davon ausgegangen sind, dass dieses Virus zu uns in die Niederlande kommt. Wir dachten, es würde in China bleiben. Aber je weiter sich das Virus verbreitete, desto klarer wurde uns, dass wir der Realität hinterherhängen. Irgendwann stand fest: Wir müssen unsere Ausstellung neu konzipieren.

Bitter.

Ach, na ja. Das ist doch auch eine große Chance! Wir haben dadurch die Möglichkeit, nicht nur historische Exponate zu zeigen, sondern auch zeitgenössische, brandaktuelle!

Wie wollen Sie diese Chance nutzen?

Wir arbeiten nun daran, bestimmte Objekte aus der Wissenschaft und der Medizin und die Geschichten dazu zu sammeln, um diese spezielle Periode der Menschheitsgeschichte zu dokumentieren. Unser neuer Dreh ist es, folgenden Generationen zu zeigen, dass auch die moderne Medizin anfällig bleibt für eine "Krankheit X".

Haben Sie schon eine ungefähre Ahnung, wann Sie wieder öffnen können?

Von uns aus könnte es frühestens im Juni wieder losgehen, denke ich. Aber wichtiger als unsere Ausstellung sind erstmal Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung. Und selbst wenn wir im Juni öffnen dürften, glaube ich nicht, dass wir es gleich tun würden. Wir wollen uns ausreichend Zeit nehmen, um die Geschichte dieser Pandemie in allen Facetten darstellen zu können.

Dann auch wieder mit dem König als prominentem Gast?

Willem-Alexander macht während dieser Krise einen hervorragenden Job, er ist sehr präsent für sein Volk, steht den Leuten bei und ermutigt sie, durchzuhalten. Zusammen mit seiner Frau besucht er jede Menge Orte an der Front der Virusbekämpfung. Ich hoffe, wir bekommen noch einmal die Chance, ihn einzuladen.

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