Niederlande:Langfinger im Königsmüll

Die Sicherheit von Königin Beatrix kostet die Niederlande Millionen. An einen Papierschredder hat keiner gedacht - ebensowenig an die Möglichkeit, Reporter könnten ihre Nase in den königlichen Abfall stecken. Nun passierte es.

Siggi Weidemann

Königin zu sein, das ist auch nicht immer schön. Während Beatrix im Amsterdamer Muziektheater der Eröffnung eines Festivals beiwohnte und dem Dirigenten Pierre Boulez für die Janacek-Opernaufführung "Aus einem Totenhaus" herzlich dankte, wusste sie bereits, dass aus ihrem Büro "sehr vertrauliche" Papiere im Müll gelandet waren. Sie ließ sich ihren Ärger nicht anmerken.

Niederlande: Wurde Opfer von Langfingern: Königin Beatrix der Niederlande

Wurde Opfer von Langfingern: Königin Beatrix der Niederlande

(Foto: Foto: AFP)

Man mag es kaum glauben, als am späten Abend das TV-Magazin Nova vom königlichen Abfallskandal berichtete. Reporter des öffentlich-rechtlichen Senders hatten im schwer gesicherten Binnenhof, dem Regierungszentrum in Den Haag, sieben Mal und an verschiedenen Tagen in Mülltonnen gewühlt und dabei 24 Abfallsäcke mit vertraulichen und zum Teil "brisanten" Notizen aus dem Kabinett der Königin, dem Sekretariat des Staatsoberhauptes, geklaubt.

Keinem der Sicherheitsmenschen kam es merkwürdig vor, dass da Leute aus schwarzen Abfalleimern neben dem, mit Videokameras gesicherten Portal zum Kabinett, Abfallsäcke mitnahmen.

Schwarze Plastiksäcke, wie sie Holländer am Mülltag an den Straßenrand stellen, gefüllt mit Reiseplänen und Einladungen, Visitenkarten mit Privatanschriften, "sehr vertraulichen" Notizen und den Terminkalendern der Königin, des Thronachfolgers Willem-Alexander und der Prinzessin Maxima; ferner Menüvorschläge, Telefonnummern von hohen Beamten, Instruktionen, wie man sich gegen das Abhören absichert, vertrauliche Hintergrundinformationen über Staaten und Politiker all jener Länder, die die Königin noch bis zum Jahr 2010 besuchen will.

Dieser Fund aus dem Abfall allein war eine Sensation, denn damit sind erstmals alle Spekulationen über eine baldige Abdankung beendet: Beatrix wird aller Voraussicht nach bis 2011 Königin der Niederlande bleiben. Willem-Alexander hat also noch Zeit, sich auf das Amt vorzubereiten. Seine Mutter wird dann 73 Jahre und er 44 Jahre alt sein und der erste männliche Regent seit 1890.

Auf dem Beatrix-Terminplan stehen noch insgesamt zehn Auslandsbesuche. Im nächsten Jahr wird sie zum Staatsbesuch nach Estland und Litauen aufbrechen. Außerdem möchte sie noch alle anderen neuen EU-Beitrittsländer besuchen. Alexander und Maxima reisen in der 43. Woche 2007 nach Indien und anschließend nach Bhutan.

Im Kabinett der Königin werden auch Schriftwechsel zwischen dem Staatsoberhaupt und den Ministerien bearbeitet. Auch die Briefe von Bürgern an die Königin werden hier gelesen, sortiert und an die einzelnen Ministerien weitergeleitet. Einige besonders auffällige Klagen oder Anfragen beantwortet Beatrix persönlich. Der königliche Müll gab also einiges her.

Mittlerweile wurden die Säcke von Mitarbeitern des Fernsehsenders Nova der Pressestelle RVD des Königshauses übergeben. Dort ließ man auf Anfrage wissen, dass "es nicht gut ist, dass dies passiert ist".

Ministerpräsident schaltet sich ein

Ministerpräsident Jan Peter Balkenende rügte die Mitarbeiter der Königin und kündigte entsprechende Maßnahmen an. Fragen, ob er personelle Konsequenzen ziehen werde, wich er aus. Der vorherige Chef des königlichen Sekretariats musste seinen Hut wegen der berüchtigten Margarita-Affäre nehmen. Die Prinzessin hatte Intimes aus dem Privatleben der königlichen Familie in die Öffentlichkeit getragen.

Seitdem hatte Beatrix, die durch ihren hochdisziplinierten Arbeitsstil und ihre perfekt geplanten Auftritte das Volk beeindruckt, eine Mauer des Schweigens um das Haus Oranien legen lassen.

Und nun dieser Müllskandal. Wieder ist es die Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende, die ihr dieses Sicherheitsrisiko eingebrockt hat. Ihr Verhältnis zum Premier, der ihre Wertschätzung nicht genießt, wird durch den Vorfall auch nicht besser. Auf 40 Millionen Euro werden die jährlichen Sicherheitsmaßnahmen für die königliche Familie geschätzt. An einen Papierschredder fürs Büro hat offenbar noch niemand gedacht.

Für die TV-Reporter wird es vielleicht noch ein gerichtliches Nachspiel geben, weil sie gegen die Abfallverordnung verstoßen haben. Darin steht, dass es verboten ist, "Abfall, der zum Abtransport bereit steht, zu durchsuchen oder zu verbreiten". Auf diese Übertretung steht eine maximale Strafe von zwei Monaten Gefängnis.

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