Süddeutsche Zeitung

Niederlande:Männer wollen Mafia-Mitglied aus Gefängnis befreien

Mit einem brennenden Lkw wollen die Verdächtigen das Gefängnistor in Zutphen aufbrechen. Sie scheitern und werden nach einer wilden Verfolgungsjagd festgenommen.

Von Thomas Kirchner

In den Niederlanden ist ein spektakulärer Versuch gescheitert, einen Schwerkriminellen aus dem Gefängnis zu befreien. Nach einer Verfolgungsjagd wurden vier Verdächtige in Wehl nahe der deutschen Grenze festgenommen. Der Befreiungsversuch galt Omar L., einem Mitglied der Amsterdamer Drogenmafia, der im Gefängnis von Zutphen eine lebenslange Haftstrafe verbüßt. Kein Häftling sei entkommen, erklärte die Polizei.

Die Verdächtigen hatten das Gefängnistor offenbar mit einem Lieferwagen zerstören wollen. Der Wagen stand in Flammen. An der anschließenden Fahndung waren auch deutsche Polizisten beteiligt, es wurde ein Warnschuss abgegeben. Die Verdächtigen rasten durch Dörfer und über Felder. Drei wurden in einem VW Golf gefasst, dessen Reifen geplatzt waren. Ein weiterer Flüchtiger wurde im benachbarten Zevenaar aufgegriffen. Laut der Zeitung De Telegraaf haben die Verdächtigen die französische Staatsbürgerschaft.

Omar L. war im vergangenen Jahr wegen zweier Morde und dreier Mordversuche verurteilt worden. Wie es heißt, wollte er damit seinen Bruder rächen, der im Jahr 2012 von Tätern aus dem Milieu bei einer Schießerei in Amsterdam ermordet wurde. Im Urteil wurde Omar L. als "gewissenlos" bezeichnet. Die Bande, der er angehört, verdient ihr Geld überwiegend mit Drogenschmuggel, Prostitution und Erpressungen.

Die Aktion erinnert an den 2017 gescheiterten Versuch, Benaouf A., ein anderes führendes Mitglied der "Mocro-Maffia", mit einem Helikopter aus dem Gefängnis von Roermond zu befreien. A. war anschließend in das Hochsicherheitsgefängnis von Vught gebracht worden, in das nun auch Omar L. überführt wurde. In Zutphen saß er noch nicht lange ein; in dem Gefängnis, wo er davor gewesen war, hatte laut Ermittlern ein Mordanschlag auf ihn verübt werden sollen. Laut niederländischen Medien gibt es nicht genügend Gefängnisplätze, um Schwerverbrecher so unterzubringen, dass sie nicht von der Zelle aus weiterhin auf ein Netzwerk zugreifen können. Oft gelinge es ihnen, gewöhnliche Kriminelle, die nur kurz einsitzen, zu Handlangerdiensten zu bewegen. Auch würden Mobiltelefone in die Zellen geschmuggelt.

Der Versuch, aus dem Gefängnis auszubrechen, ist in den Niederlanden bislang nicht strafbar, soll es aber nach Plänen des Justizministeriums demnächst werden.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2020
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