Süddeutsche Zeitung

Niederlande:Rätsel um isolierte Familie auf einem Bauernhof

  • Eine sechsköpfige Familie soll in den Niederlanden jahrelang isoliert in einem Keller gewohnt haben.
  • Ein 58-jähriger Österreicher wurde vorläufig festgenommen.
  • Der Wirt der Dorfkneipe hatte die Polizei alarmiert, nachdem dort ein "verwirrter" junger Mann aufgetaucht war.

Isoliert von der Außenwelt hat ein Vater mit seinen fünf Kindern gut neun Jahre lang auf einem abgelegenen Bauernhofes in den Niederlanden gehaust. Die Polizei entdeckte die Familie, nachdem der älteste Sohn in einer Dorfkneipe um Hilfe gebeten hatte. Die Menschen würden nun versorgt, teilte die Polizei in der Provinz Drenthe mit. Eine Sondergruppe von 25 Beamten untersuche den Fall. Viele Fragen seien offen.

Ein 58 Jahre alter Österreicher wurde festgenommen. Er war nach Angaben der Polizei Mieter des Bauernhofes und soll dort regelmäßig Reparaturen ausgeführt haben, aber dort nicht gewohnt haben. Die Familie war dem Einwohnermeldeamt nicht bekannt. In welcher Beziehung der Österreicher zu der Familie stand, ist weiter unklar. Die Polizei konnte auch noch nicht sagen, weshalb die Familie auf dem Hof lebte.

Der Wirt der Dorfkneipe in Ruinerwold hatte die Polizei am Montag alarmiert. Bei ihm war zum wiederholten Mal ein fremder junger Mann in der Wirtsstube aufgetaucht. Er sei völlig verwirrt gewesen, sagte der Wirt dem TV-Sender RTV Drenthe, habe fünf Bier bestellt und selbst getrunken. "Er sagte, dass er weggelaufen war und Hilfe brauchte." Der 25-Jährige habe auch geschildert, dass er neun Jahre lang nicht draußen gewesen sei. Daraufhin hatte der Wirt die Polizei eingeschaltet.

Warum die Menschen so isoliert wohnten, ist noch nicht geklärt

"Da trafen wir sechs Menschen an in einem abschließbaren kleinen Raum in der Wohnung, es war kein Keller", präzisierte die Polizei. "Es ist undeutlich, ob sie dort freiwillig waren." Zuvor war berichtet worden, dass die Familie in einem Kellerraum gelebt habe. Die Kinder der Familie sind zwischen 18 und 25 Jahre alt. Die Jüngeren unter ihnen hätten offenbar nicht gewusst, dass es noch andere Menschen auf der Welt gab. Sie sollen auf "das Ende der Zeiten" gewartet haben, berichteten niederländische Medien. Die Ermittler wollten diese Darstellung zunächst nicht bestätigen.

Die Familie "lebte in sehr provisorischen Räumen", sagte der Bürgermeister Roger de Groot. Er nannte keine Details der Wohnung. "So etwas habe ich noch nie erlebt." Über die genauen Lebensumstände und den Gesundheitszustand der Familie wollte die Polizei vorerst keine Angaben machen. Die Untersuchungen seien noch in vollem Gange. "Alle Szenarien sind noch offen", sagte eine Sprecherin. Der 58 Jahre alte Österreicher sei festgenommen worden, "weil er nicht an unserer Untersuchung mitarbeitete".

Gruppe hat sich vermutlich selbst versorgt

Dorfbewohner sind schockiert. Sie sagten Reportern, dass sie bei dem baufälligen Hof immer nur einen Mann gesehen hatten. Von einer Familie hätten sie nichts gewusst. Allerdings will ein Nachbar auch Kinder gesehen haben. Der Hof liegt versteckt hinter Bäumen und etwa 200 Meter vom Rande des Dorfes entfernt, erreichbar nur über ein Brückchen und einen unbefestigten Weg. Dazu gehören nach Aussagen von Reportern ein großer Gemüsegarten und eine Ziege. Möglicherweise habe sich die Gruppe jahrelang selbst versorgt. Das umliegende Land wurde nicht bestellt.

In Österreich wecken die Vorgänge - wenn auch eigentlich anders gelagert - Erinnerungen an den Fall Josef Fritzl, der vor elf Jahren aufflog. Der Mann hatte 24 Jahre lang seine Tochter in einen Keller im Bundesland Niederösterreich gesperrt und mit ihr sieben Kinder gezeugt. Er wurde zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

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