Niederlande beschränken Zutritt zu Coffeeshops:Ausländer müssen draußen bleiben

Ende eines guten Geschäftsmodells: Vom 1. Mai an ist Nicht-Niederländern der Zutritt zu Coffeeshops untersagt. Die Maßnahme der jüngst gestürzten konservativen Regierung sorgt für heftige Gegenwehr. Städte wie Amsterdam fürchten um ihren liberalen Ruf, die Besitzer der Cannabis-Läden um ihre Einnahmen. Der Grund für das Verbot ist ein ganz profaner.

Thomas Kirchner, Amsterdam

Michael Veling klaubt einen störenden Papierschnipsel vom Boden seines Coffeeshops, dreht sich eine Zigarette und sagt: "In der Praxis wird sich gar nichts ändern." Der 56-Jährige führt das Café 420 im Herzen von Amsterdam seit 25 Jahren, er kennt sich aus im Business. Er schickt ein leises, wissendes Lächeln hinterher. "Keine Sorge, das kriegen wir schon gebacken", heißt das wohl.

Bundesregierung legt Drogenbericht 2006 vor

Der Strom der Deutschen, die wegen legal erhältlichem Cannabis in die Niederlande pilgerten, könnte bald versiegen: Denn künftig bekommt dort nur noch Joints, wer einen "Wietpas" (Gras-Ausweis) besitzt.

(Foto: ag.dpa)

Nach dem Willen der Regierung in Den Haag soll sich am 1. Mai aber eine Menge ändern. Von diesem Datum an dürfen nur noch Menschen mit Wohnsitz in den Niederlanden einen jener mehr als 650 Läden im Land frequentieren, die neben Cannabis auch Kaffee servieren.

Die Coffeeshops darf nur betreten, wer sich mit Namen und Anschrift registrieren lässt, also einen "Wietpas" (Gras-Ausweis) hat. Ausländer müssen draußen bleiben.

Eine Art Kulturbruch

Weil Millionen (fast) allein deshalb hierherkommen, wäre das eine Art Kulturbruch. Man denke an die Begeisterung von Jules aus Pulp Fiction, nachdem ihm sein Kumpel Vincent Vega von der holländischen Drogenpolitik erzählt hat: "Oh Mann, da fahr ich hin, keine Frage. Da fahr ich verdammt nochmal hin!"

Für die Coffeeshops wäre der "Wietpas" das Ende eines guten Geschäftsmodells. Zwischen einem und fünf Kilo Gras verkaufen sie täglich, das Gramm zu sechs bis 13 Euro, da kommt etwas zusammen. 70 Prozent der Kunden reisen aus dem Ausland an. Also wehren sich die Besitzer, vor allem jene in den drei Südprovinzen Limburg, Nordbrabant und Seeland.

Nur hier, wo viele Deutsche, Belgier und Franzosen vorbeischauen, um sich die erlaubten fünf Gramm Gras zu besorgen, wird die Einhaltung der neuen Regeln jetzt kontrolliert, im Rest des Landes erst 2013. Zusammen mit Kunden aus dem In- und Ausland haben 19 Coffeeshops eine Klage eingereicht, über die ein Gericht in Den Haag an diesem Freitag entscheidet.

"Wir wollen uns nicht zwingen lassen, unsere Gäste zu diskriminieren", sagt Marc Josemans, Besitzer des Easy Going in Maastricht, ein Wortführer seiner Zunft. Der Plan des rechtsliberalen Justizministers Ivo Opstelten sei unausgegoren. "Wir sollen ein Club werden? Mit dem Vereinsziel, Cannabis zu rauchen und zu besitzen? Das ist doch offiziell verboten!" Kollege Veling aus Amsterdam hält Kontrollen sowieso für nicht praktikabel: "Sollen sich meine 50 Gäste in Reih und Glied aufstellen, und dann gleicht ein Polizist unsere Liste mit deren Personalausweisen ab?"

Mit dem "Wietpas" wollte die soeben gestürzte konservative Regierung Tatkraft demonstrieren und den Streit mit Nachbarstaaten beenden, die sich ihre Drogenpolitik nicht aufweichen lassen wollen.

"Es kommen zu viele"

Cannabis ist in Deutschland die am häufigsten konsumierte illegale Droge, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung warnt, dass Kiffen gesundheitsgefährdend ist. Konkret nennt man in Den Haag aber die Störung der öffentlichen Ordnung als Motiv. "Die Sache ist ein wenig außer Kontrolle geraten", sagt Opsteltens Sprecherin Charlotte Menten. "Es kommen zu viele." Geertjan Bos, Sprecher des Bürgermeisters der Grenzstadt Maastricht, zählt die Folgen auf: "Falschparker, Schreiereien, Staus, Müll; die Einwohner spüren das täglich." Die meisten Kiffer sind zwar friedlich (von Natur aus oder wegen der betäubenden Wirkung des extrem kräftigen "Nederwiet"), aber es gibt immer schwarze Schafe.

Während einige Städte Coffeeshops geschlossen haben, hat Venlo zwei an den Stadtrand verpflanzt, als Drive-In für Deutsche aus dem Kölner Raum. Die rauschen nun über zwei Autobahnen ins Roots oder ins Oase, oder sie laufen über den Drogenpfad, der vom Bahnhof in Kaldenkirchen über die grüne Grenze führt - zum Ärger von Anwohnern, in deren Vorgärten zuweilen uriniert wird. "Durch verschärfte Kontrollen haben wir die Sache aber jetzt im Griff", sagt Antje Heymanns von der Kreispolizei in Viersen.

Es soll wieder werden wie in den siebziger Jahren

Minister Opstelten sieht sich rechtlich auf der sicheren Seite. 2011 urteilte der Europäische Gerichtshof, Cannabis sei keine normale Handelsware, daher könne Ausländern aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Zutritt zu den Coffeeshops verwehrt werden. Ansonsten bleibe es ja bei der bewährten Linie, sagt Sprecherin Menten. "Jeder, der einen Joint rauchen will, darf das tun." Es solle nur wieder werden "wie in den siebziger Jahren", mit einem begrenzten Hanfverkauf für lokale Konsumenten.

In Amsterdam ist man skeptischer. Die Stadt fürchtet um ihren liberalen Ruf, um die Touristen. Bürgermeister Eberhard van der Laan spricht von einer "desaströsen" Idee Opsteltens. Schließlich sollte mit Coffeeshops vor allem der Handel von weichen und harten Drogen getrennt werden, was gut funktioniert hat.

Egal wie das Gericht urteilt: Die Coffeeshop-Besitzer treiben die Sache juristisch auf die Spitze. Am 1. Mai will Mark Josemans demonstrativ Cannabis an Ausländer und nicht registrierte Holländer verkaufen. Hanf-Aktivisten haben angekündigt, sich anzeigen zu lassen.

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