Süddeutsche Zeitung

New York:Zutritt nur für reiche Hundebesitzer

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Betuchte New Yorker erklären einen öffentlichen Park zu ihrem privaten Gassi-Club und die Stadtverwaltung merkt es nicht. Nun sind sie aufgeflogen - nach zehn Jahren.

Von Kathrin Werner, New York

Bailey wälzt sich über den Asphalt des Anstoßes. Sie schnappt nach ihrem quietschenden Gummi-Spielzeug, bellt und rast von einer Seite des Zauns zur anderen. Bailey weiß ja nicht, dass sie sich mitten auf einem Schlachtfeld des Klassenkampfs in New York befindet. Sie ist fünf Monate alt, ein brauner Labrador-Welpe mit unschuldigen Augen. Bis vor wenigen Tagen hatte Bailey Exklusivzugang zu dem kleinen Hundeauslauf im Nobelviertel Tribeca im Süden Manhattans, in dem viele Wall-Street-Banker zu Hause sind. Ihr Herrchen Jeff Clift hat eine Mitgliedsgebühr für den privaten Park bezahlt, 120 Dollar im Jahr, und dafür einen geheimen Pincode zugeschickt bekommen, mit dem er sich und seinem Tier Zutritt verschaffen konnte. Das Problem nur: Beim Warren Street Dog Park handelte es sich gar nicht um einen Privatpark.

Eine Gruppe betuchter Hundebesitzer hatte sich zusammengetan und einen öffentlichen Park einfach für den "Pöbel" geschlossen: Sie hängten ein Schloss an den Eingang, registrierten genehme Hunde wie Bailey und genehme Herrchen wie Jeff Clift, stellten Benimmregeln auf und kassierten die Mitgliedsgebühr. So blieben unerwünschte Vierbeiner und deren minderbemittelte Besitzer draußen und drinnen war alles schön sauber und ordentlich. So jedenfalls die Sichtweise der Betuchten.

Ende April ist der Privatisierungscoup aufgeflogen - nach zehn Jahren. Die städtische Parkverwaltung hat das Schloss geknackt und ein neues Schild angebracht - ein Aufregerthema. Die einen fürchten, dass nun nachts ungezogene Jugendliche und tags unerzogene Hunde den Auslauf bevölkern und ihren Dreck hinterlassen. Die anderen sehen in der Hundepark- Kaperung ein Symbol für die Dreistigkeit der New Yorker Reichen.

Auch Hunde mit weniger privilegierter Erziehung dürfen jetzt rein

Die Park-Privatisierungsgruppe Dog Owners of Tribeca (DOOT) ist sich jedenfalls keiner Schuld bewusst. DOOT sei ordentlich als Verein angemeldet gewesen und habe die Mitgliedsgebühren stets zur besten Zufriedenheit der Mitglieder verwendet. "Seit mehr als einem Jahrzehnt ist der Park versichert, gereinigt, repariert, ausgestattet und vollständig von unserer Gemeindegruppe gewartet worden, ohne dass die Parkverwaltung einen Beitrag dazu geleistet hätte, sei es monetär oder anderweitig", schrieben die ehemaligen DOOT-Präsidenten in einem Stadtviertel-Blog. "Das Ergebnis ist ein Park, der dreimal pro Woche geputzt wird und ein Vorbild für andere ist." Nach dem Einzug der Öffentlichkeit in den Park hat sich die Privatisierungsgruppe umgehend aufgelöst.

Und, ist dort jetzt der Schlendrian eingekehrt? Der Park ist blitzsauber, keine Würste oder Ähnliches. Und der Park ist leer. Bis auf Labrador Bailey. Gut so, findet Herrchen Clift. In einem der öffentlichen Parks habe ihr ein großer Hund einmal ins Ohr gebissen, dort könne man sich nicht darauf verlassen, dass sich die Hunde benehmen, sagt er. "Ich hoffe, es bleibt hier alles beim Alten." Eine Ahnung, dass sein Privat-Hundeauslauf eigentlich immer öffentliches Gelände war, hatte er nicht. "Ich war für eine Sekunde überrascht, als ich es erfahren habe", sagt er. "Und dann dachte ich: typisch New York."

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SZ vom 09.05.2018
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