Süddeutsche Zeitung

Neues Buch von Hannes Jaenicke:Nur noch kurz die Welt retten

"Da kriegst du schnell eins auf die Eier, wenn du den Mund aufmachst", klagt Schauspieler Hannes Jaenicke über Deutschland. In seinem neuen Buch sind aber vor allem Plattitüden zu finden. Erfolgreich ist es trotzdem.

Von Bernd Dörries

Hannes Jaenicke sitzt in der Lobby des Hotels Savoy und leidet ein wenig, an diesem Land. In ein paar Stunden fliegt er nach Los Angeles. Davor spricht er noch über sein neues Buch, den Fluch der Plastiktüten und davon, dass es einer wie er nicht leicht hat in Deutschland. "In anderen Ländern ist es selbstverständlich, dass sich Schauspieler und Musiker gesellschaftlich engagieren. In Deutschland sieht das anders aus, da kriegst du schnell eins auf die Eier, wenn du den Mund aufmachst."

Für einen, der ständig eins auf die Eier bekommt, sieht Jaenicke, 53, ganz gut aus an diesem Nachmittag. Er macht den Eindruck eines Mannes, der manchmal milde lächelt, der vielleicht denkt, dass es besser ist, sich Kraft und Engagement zu sparen, für die wichtigen Dinge. Die wichtigen Dinge: das war neben der Schauspielerei in den vergangenen Jahren die Rettung der Welt. Der Schutz der Walhaie, das Verstehen der Bären und die Gerechtigkeit für die Orang-Utans. Unter anderem.

Jaenicke hat Filme gemacht und Bücher geschrieben, und dafür sehr gemischte Reaktionen bekommen. Manchmal ging es um die Frage, warum denn jetzt ausgerechnet Schauspieler die Welt retten müssen, ob es dafür nicht andere Menschen mit einer adäquateren Berufsausbildung gebe. Schuster, bleib bei deinen Leisten, das habe er oft gehört, sagt Jaenicke.

"Vielflieger gegen den Klimawandel"

Den "Affenversteher", hat man ihn genannt, einen "Vielflieger gegen den Klimawandel", weil er nach Los Angeles tingelt, seinem zweiten Wohnort, und für seine Filme tonnenweise Equipment um die Welt schippert. Jaenicke hat sich vielleicht geärgert über die viele Häme, aber letztlich ist sie gar nicht schlecht für das Geschäft, für sein Prinzip. Weil es ja immer darum geht, dass da einer für die Umwelt kämpft, gegen Lobbyisten und Medien.

Dass da also einer immer wieder eins auf die Eier bekommt, von denen da oben. Wenn nun plötzlich alle Jaenicke zujubeln würden, dann würde dieses Prinzip der heroischen Rettung der Erde gegen alle Widerstände nicht mehr funktionieren. Weil dann ja kein Widerstand mehr da ist, den man bekämpfen kann.

"Die große Volksverarsche"

"Die große Volksverarsche. Wie Industrie und Medien uns zum Narren halten", so heißt sein neues Buch, das auf Platz 1 der Spiegel-Bestseller-Liste steht. Man kann es in zwei Stunden durchlesen und sich danach überlegen, wo denn jetzt noch mal der Skandal geblieben ist, den Jaenicke auf dem Titel ankündigt. Mit Co-Autorin Swantje Steinbrink werden in zwölf Kapiteln verschiedene gesellschaftliche Problematiken dargestellt, die meist in keinem inhaltlichen Zusammenhang stehen, außer, dass sie einen großen Skandal darstellen sollen. Es geht um den Verpackungswahn und Plastiktüten, um die Arbeitsbedingungen der Bekleidungsbranche in Bangladesch und die Lügen der Autolobby.

Das alles ist weder besonders gut noch besonders schlecht geschrieben. Viele Sätze enden mit drei Punkten, was wohl einen verschwörerischen Eindruck vermitteln soll: Wir können es zwar nicht beweisen, aber Du und ich, lieber Leser, wir wissen schon...

Dazu gibt es eingeblockte Kästchen, den sogenannten Konsumenten-Navi, der dem Leser Tipps für artgerechtes Verhalten gibt: "Wer bereits Plastiktüten zu Hause hat, sollte sie so oft wie möglich wiederverwenden (Re-use) und wenn nötig über die Gelbe Tonne entsorgen." Das beschreibt in etwa den Erkenntnisgewinn dieses Buches. Im Kapitel über "Das Gigageschäft mit der Schönheit" rät der Konsumenten-Navi: "Vorsicht vor vermeintlichen Schlankmachern aus dem Internet."

Große Teile des Buches scheinen aus jenem Internet zu stammen. In den Anmerkungen sind zwar einige Gespräche verzeichnet, die wohl zu Recherchezwecken geführt wurden. Dazu haufenweise Quellennachweise zu Texten aus den traditionellen Medien und deren Internetangeboten, die doch laut Titel des Buches für das ganze Schlamassel, diesen riesigen Skandal verantwortlich sein sollen. Davon ist im Buch selbst dann aber keine Rede mehr. Auch das ist Teil des Prinzips. So zu tun, als spreche man hier etwas als Erster aus.

Letztlich sind es aber keine neuen Wahrheiten, Jaenicke lässt sie nur noch mal hübsch zusammenfassen, binden und unter seinem Namen verkaufen. Er sieht es so: "Das Buch ist für Leute geschrieben, die nicht schon alles wissen, die nicht bei Greenpeace oder den Grünen sind." Jaenicke sagt, die Menschen hätten verstanden, "dass der Markt gar nichts regelt, dass der nur Profit macht". Und die Politik dagegen nicht viel ausrichten könne, dafür aber der Verbraucher mit seiner Macht. Hannes Jaenicke rät daher beispielsweise, von der Anschaffung billiger Plastikuhren abzusehen und sein Vertrauen der Marke Jaeger-LeCoultre zu schenken, die zwar ein bisschen teurer ist, dafür aber CO2-neutral produziert.

Große und kleine Veränderungen

Jaenicke sagt, ihm sei die ganze Kritik ziemlich egal, doch sehe er die Veränderungen, die er bewirke, im Großen und im Kleinen. Sein Metzger beispielsweise benutze keine Plastiktüten mehr, ein Hotel habe den Thunfisch abgeschafft. Man spricht jetzt mit einem Menschen, der es offenbar ernst meint mit dem Schutz der Ressourcen, der deutlich nachdenklicher ist, als die Bücher, die er schreibt.

Dort heißt es aber: "Weitverbreitete Leiden wie Sodbrennen, Erkältung und Erschöpfungszustände lassen sich mit gesunder Ernährung vermeiden."

Warum also musste so ein Buch geschrieben werden?

"Es musste gar nicht geschrieben werden, der Verlag und meine überaus engagierte Lektorin kamen auf mich zu", sagt Jaenicke. Womöglich ist das ein Skandal, den Jaenicke dann im nächsten Buch aufgreifen kann. "Die miesen Buchtricks. Wie die Verlagsbranche die Leser verarscht." Oder so. Es wird sicher wieder ein Knüller.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1709389
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 01.07.2013/mike
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.