Neue Unruhen nach der Tötung eines Schwarzen:Gouverneur von Missouri schickt Nationalgarde nach Ferguson

Die Gewalt in Ferguson droht immer mehr zu eskalieren. Jetzt soll die Nationalgarde helfen, die öffentliche Ordnung in der Stadt wieder herzustellen. Zusätzlich verschärft wird die Situation durch ein Autopsie-Gutachten, dem zufolge der schwarze Jugendliche durch sechs Schüsse getötet wurde.

  • Der Gouverneur von Missouri beordert die Nationalgarde in die Kleinstadt Ferguson: Die Einheiten sollen die Polizei unterstützen, die angesichts der Krawallen infolge der Tötung eines schwarzen Teenagers zunehmend überfordert scheint.
  • Eine privat in Auftrag gegebenes Autopsie hat ergeben, dass Michael Brown von mindestens sechs Projektilen getroffen wurde.
  • Auch am Sonntagabend ist es wieder zu heftigen Ausschreitungen gekommen.

Gouverneur Jay Nixon fordert Nationalgarde an

Nach tagelangen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei wird nun die Nationalgarde in der Kleinstadt Ferguson eingesetzt. Der Gouverneur des US-Bundesstaates Missouri, Jay Nixon, unterzeichnete am frühen Montagmorgen eine entsprechende Anordnung.

Die Einheiten seien abgestellt, "um Frieden und Ordnung wieder herzustellen und die Einwohner von Ferguson zu schützen". Er verurteilte die Gewalt einzelner Menschen, die zunehmend die Bürger und die Betriebe in der Stadt gefährdeten.

Privatgutachten geht von mindestens sechs frontalen Treffern aus

Der von einem Polizisten in der US-Kleinstadt Ferguson erschossene Teenager Michael Brown soll einem Privatgutachten zufolge von mindestens sechs Kugeln getötet worden sein. Zwei Projektile hätten den Kopf und vier den rechten Arm des 18-Jährigen getroffen, das sagt ein von den Eltern des Opfers eingeschalteter Rechtsmediziner, wie die New York Times am späten Sonntagabend berichtete.

Laut dem vorläufigen Ergebnis der Autopsie seien alle Kugeln von vorne abgefeuert worden. Der von Browns Eltern beauftragte Pathologe Michael Baden gilt als Koryphäe auf seinem Gebiet. Er sagte Anfang der Neunzigerjahre unter anderem in dem spektakulären Gerichtsverfahren gegen den Ex-Footballstar OJ Simpson aus und wurde auch schon bei den Untersuchungen zum Mord an US-Präsident John F. Kennedy zu Rate gezogen. Baden war früher als oberster Gerichtsmediziner in New York tätig.

Auch das US-Justizministerium kündigte aufgrund der "außergewöhnlichen Umstände" des Falls an, dass nach den Behörden von Missouri nun auch zusätzlich Experten auf Bundesebene eine Autopsie der Leiche vornehmen würden.

Erneute Ausschreitungen in Ferguson

Wenige Stunden vor dem Inkrafttreten einer neuen Ausgangssperre in Ferguson ist es dort am Sonntagabend erneut zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die mit gepanzerten Fahrzeugen anrückenden Sicherheitskräfte trieben die Menschenmenge in der US-Kleinstadt mit Tränengas auseinander, wobei einige der Gaskartuschen umgehend auf die Polizei zurückgeschleudert wurden.

Örtliche Medien zeigten Bilder von aufgebrachten Demonstranten, die ein Schnellrestaurant demolierten. Auch von Schüssen aus der Menge heraus wurde berichtet. Einige der größtenteils jungen Demonstranten reckten Protestschilder gegen Polizeigewalt in die Höhe.

Die Ordnungskräfte des US-Bundesstaats Missouri hatten zuvor angekündigt, die zweite Nacht in Folge eine Ausgangssperre zu verhängen. Zu den Ausschreitungen kam es kurz vor deren Inkrafttreten. Die Sperre sollte von Mitternacht bis zum frühen Montagmorgen gelten.

Die erste Ausgangssperre in der Nacht zum Sonntag war von hunderten Demonstranten missachtet worden. Es gab sieben Festnahmen, eine Person wurde durch Schüsse lebensgefährlich verletzt.

Bemühen um Deeskalation

Bei einer Gedenkzeremonie für Brown am Sonntag versuchte der Einsatzleiter der Sicherheitskräfte, Ron Johnson, die Gemüter mit einer Entschuldigung zu beruhigen. An die Angehörigen des Opfers gewandt sagte er: "Ich bin mit dem Herzen bei Euch und sage Euch, dass es mir leid tut." Johnsons Worte wurden von den mehr als 1300 Zuhörern mit lautem Applaus quittiert. Er versprach, solange zu bleiben wie nötig, damit wieder Ruhe in Ferguson einkehre.

Johnson ist selbst schwarz und leitet inzwischen den Einsatz der Sicherheitskräfte in der mehrheitlich von Afroamerikanern bewohnten Ortschaft, nachdem die zuvor eingesetzten Ordnungskräfte wegen ihres aggressiven Vorgehens abgezogen worden waren.

Warum der Fall so brisant ist

Ferguson ist seit der Tötung des schwarzen Jugendlichen Michael Brown durch einen weißen Polizisten am 9. August Schauplatz von Unruhen und Protesten, da dem Schützen rassistische Motive unterstellt werden.

Das militärisch hochgerüstete Auftreten hatte weite Teile der Bevölkerung zusätzlich gegen die örtlichen Polizisten eingenommen, die Demonstranten mit Sturmgewehren und Panzerfahrzeugen eingeschüchtert hatten.

Die Affäre Brown hat die landesweite Kontroverse um Rassismus und laxe Waffengesetze in den USA neu angestoßen. Das Schicksal des Teenagers weckt Erinnerungen an den 17-jährigen Schwarzen Trayvon Martin, der im Februar 2012 in der Stadt Sanford in Florida erschossen worden war. Der Schütze George Zimmerman gab damals an, in Notwehr gehandelt zu haben, nachdem der unbewaffnete Teenager ihn geschlagen habe. Der Prozess gegen Zimmerman endete mit einem Freispruch.

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