Protestaktion in Oldenburg:Mauern gegen rechts

"Hausarrest für Nazis!", forderte eine Oldenburger Antifa-Gruppe und mauerte einem örtlichen NPD-Politiker kurzerhand die Haustür zu. Die Aktion steht in einer Reihe von Protesten, die die Rechtsradikalen an einer empfindlichen Stelle treffen: Sie werden lächerlich gemacht.

Ronen Steinke

Die zornige Pose will an solch einem Tag nicht recht gelingen, wie im Online-Forum der "Germanischen Weltnetzgemeinschaft Thiazi" zu beobachten ist. "Erst kommt das Menschen-Einmauern", dröhnt dort ein User namens "Nordmann", und wenig später würden die "Kommunisten" bekanntlich "das Menschen-Abschießen" folgen lassen.

Protestaktion in Oldenburg: in der Nacht vom 18. auf den 19. Dezember 2011 wurde im niedersächsischen Oldenburg die Tür des NPD-Funktionärs Ulrich Eigenfeld zugemauert.

in der Nacht vom 18. auf den 19. Dezember 2011 wurde im niedersächsischen Oldenburg die Tür des NPD-Funktionärs Ulrich Eigenfeld zugemauert.

(Foto: CC BY-SA 2.0)

Es ist eine Stimme, die in dieser Lautstärke weitgehend alleine bleibt: Die meisten anderen User in dem Neonazi-Forum setzen hinter ihre Kommentarzeilen, eher verzagt, kleine Smiley-Symbole, sprechen sarkastisch von einer "sehr kuhlen" Aktion - und der Betroffene selbst, ein 64 Jahre alter NPD-Funktionär, mag sich in der Presse nicht recht äußern zu den grauen Ytong-Steinen, die ihm am Montagmorgen plötzlich den Weg versperrten.

Eine Oldenburger Antifa-Gruppe hatte in der Nacht den Hauseingang des NPD-Politikers Ulrich Eigenfeld zugemauert. Eigenfeld gilt als langjähriger Vertrauter des kürzlich abgewählten NPD-Vorsitzenden Udo Voigt, er war bis vor kurzem hauptberuflicher Schatzmeister der Partei und hat bei der Kommunalwahl in Oldenburg am 11. September das erste Stadtratsmandat für die Rechtsextremen seit den 1960er Jahren errungen. Bei der konstituierenden Sitzung des Rats hatten örtliche Antifa-Aktivisten noch auf eine traditionellere Form des Protests gegen Eigenfelds Politik gesetzt - einer trat an die Absperrung heran, holte tief Luft und traf mit seiner Spucke den NPD-Stadtrat an der Jacke.

Die Mauer, mit der nun symbolisch ein "Hausarrest für Nazis" gefordert wurde, ist demgegenüber nicht nur wegen ihrer dialektischen Begründung bemerkenswert. In einer Pressemitteilung, die noch in der Nacht an Oldenburger Medien gemailt wurde, erklärte eine "bekennende Mauerbauerin" mit dem Pseudonym Olga Benario (offenbar benannt nach einer Kommunistin, die 1942 von den Nazis ermordet wurde), die Gesellschaft sei bereits von zu vielen Mauern durchzogen. "Wir meinen: Mauern einreißen! Bei Nazis machen wir da aber eine Ausnahme."

Geheimwaffe Satire

Vor allem aber steht die Oldenburger Mauer für eine neue Strategie unter Anti-Nazi-Aktivisten, die in den vergangenen Jahren viele Anhänger gefunden hat. Am bekanntesten ist "Storch Heinar", die satirische Antwort auf die bei Neonazis beliebte Kleidermarke Thor Steinar. Ersonnen hat den Comic-Storch mit Hitler-Bärtchen der mecklenburg-vorpommersche SPD-Landtagsabgeordnete Mathias Brodkorb - der seit Oktober Bildungsminister in Schwerin ist. Das Bild des Vogels ist im letzten Landtagswahlkampf viele tausend Mal plakatiert worden, meist direkt unter Plakaten der NPD, und während jetzt den anonymen Mauerbauern ein Verfahren wegen Nötigung droht, ist der Mensch hinter dem Storch in diesem Jahr von der Ostseezeitung als "Held des Nordens" ausgezeichnet worden.

Weil Brodkorb sich zuletzt erfolgreich gegen eine Urheberrechtsklage der Thor- Steinar-Eigentümer gewehrt hat, darf er die Szenecodes der Neonazis auch weiterhin ins Lächerliche ziehen - eine Lächerlichkeit, die für ein politisches Milieu, das sich vielerorts aus einer Jugendszene mit dem Versprechen eines besonders harten Images speist, durchaus gefährlich werden kann.

Verbündete im Geiste hat Brodkorb in Leipzig gefunden, der Stadt, in der Neonazis bereits in den 1990er Jahren mit Toilettenpapier anstatt mit Steinen beworfen wurden. Die Organisation "Front Deutscher Äpfel" verspottet dort das martialische Auftreten der Rechtsextremen seit 2004 mit Hilfe von Fahnen, albern geschneiderten Uniformen sowie mit eigenen Unterorganisationen wie der Frauensektion "Bund weicher Birnen". Als Brodkorb kürzlich vor Gericht gegen Thor Steinar gewann, gratulierte die "Front" ihm zum Sieg über den "an Mensch und Material weit überlegenen Gegner".

Da der Mörtel nur dürftig aufgetragen wurde, war die Mauer in Oldenburg schnell wieder abgebaut. So konnte der NPD-Mann abends in den Stadtrat gehen. Als er dort jedoch das Wort ergriff, notierte nur ein einziges lokales Medium, das Online-Magazin Oldenburger Lokalteil, seinen Redebeitrag für die Nachwelt, und dies in einer Weise, die eher an Charlie Chaplin gemahnt denn an den Bürgerhaushalt, der da eigentlich auf der Tagesordnung stand. Wie folgt: "Als der Stink einer Stunken, ein Stunken mit der Europe, ein Stunken mit der Höll."

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