Süddeutsche Zeitung

Neue Formen der Bestattungen:Ein Feuerwerk für Hinterbliebene

Asche im schottischen Hochland, Gedenkgärten für Fußballfans: Die seltsamen Bestattungsrituale der Briten.

Wolfgang Koydl

Überdüngte Bergwiesen, verschmutzte Fußballrasen, dünne Aschefilme über Angelgründen - so viele Briten ziehen die Kremation mittlerweile der Erdbestattung vor, dass sich das Vereinigte Königreich mit einem Umweltproblem der eher makabren Art konfrontiert sieht: Weil immer häufiger die Asche über irgendwelchen früheren Lieblingsplätzen der Verstorbenen verstreut wird, sah sich die staatliche Umweltschutzbehörde Environment Agency nun gezwungen, erstmals Richtlinien zu erlassen.

Die Folge: In den walisischen und schottischen Bergen sowie nahe Brücken, Trinkwasserreservoiren und Fischgründen sollte man vom Aschestreuen Abstand nehmen. Zur Vorsicht rät die Agency zudem an windigen Tagen. Da sei es ratsam, nah am Boden zu streuen.

Nur noch eine Minderheit der Briten wünscht sich eine Erdbestattung, wie Roger Arber von der Cremation Society mit einem Schuss von Selbstzufriedenheit mitteilt. Mehr als 71 Prozent verfügen letztwillig eine Einäscherung, und damit liegt das Königreich nach Arbers Worten weltweit gut im Spitzenfeld.

Nur in Japan - unangefochtener Spitzenreiter mit 99 Prozent Kremierungen -, in der Schweiz und in der Tschechischen Republik finden mehr Kremationen statt als auf den britischen Inseln.

Mit einer weiteren Zunahme in Britannien rechnet Arber freilich nicht: "Muslime, die einen immer größeren Anteil an der Bevölkerung ausmachen, lehnen Feuerbestattungen aus religiösen Gründen ab", sagt er.

Verstreut in alle Winde

Da es in Großbritannien im Gegensatz etwa zu Deutschland keine Friedhofspflicht gibt, können Hinterbliebene mit der Asche tun, was sie - oder der Verstorbene - für richtig entschieden haben.

Es muss ja nicht jeder so weit gehen, wie Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards, der behauptet hatte, er habe die Asche seines Vaters geschnupft; aber die Zeiten, in denen man Oma und Opa in der Urne lediglich auf dem Kaminsims abstellte, sind in Großbritannien lange vorbei. Es muss schon etwas Spektakuläreres sein, und in mehr als 60 Prozent aller Kremierungen nehmen die Hinterbliebenen die Asche aus dem Krematorium mit nach Hause anstatt sie in einem Urnengrab beizusetzen.

Fußballvereine wie Manchester United oder Manchester City etwa bieten deshalb schon seit langem spezielle Gedenkgärten für die sterblichen Überreste ihrer Fans an. So viele von ihnen wollten auf dem geweihten Stadionrasen verstäubt werden, dass die Grasnarbe darunter litt.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welche Varianten der Bestattung mit Feuerwerk die Briten bevorzugen.

Das ist kein Wunder, wenn man weiß, das nach einer Kremierung immerhin ein stattliches Häufchen von rund zwei Kilogramm Asche von einem erwachsenen Menschen übrigbleibt. Bei jährlich 420000 Feuerbestattungen ergibt das mehr als 800 Tonnen. Vergleichbare Probleme haben daher auch Naturschützer in den schottischen Highlands oder in der kargen Bergwelt von Wales registriert.

Weil sich immer mehr Wanderer, Naturfreunde oder Vogelkundler auf einsamen Matten und Kuppen verstreuen lassen, führt das in der Knochenasche enthaltene Phosphat zu einer Überdüngung des Wald- und Wiesenbodens. Die Folge: Unkontrollierter Pflanzenwuchs wo Jahrhunderte lang der Wind über kahle Höhen strich.

Man will nicht mehr um Tote trauern

Bestattungstechnisches und umweltpolitisch weniger umstrittenes Neuland beschreitet man indessen bei der Firma Heavens Above Fireworks in der ostenglischen Grafschaft Essex. "Die Welt wird immer säkularer", hat ihr Präsident Fergus Jamieson erkannt, der das Unternehmen vor vier Jahren gründete. "Man will nicht mehr so sehr einen Toten betrauern, sondern ein erfülltes Leben feiern. Und wir merken es an unserem Auftragsbuch: Wir können uns vor Anfragen kaum retten."

Und was wäre knalliger als ein Feuerwerk? Ab umgerechnet gut 1000 Euro schon füllt Jamieson die Asche der Schwiegermama oder des Onkels in eine Rakete mit bengalischem Feuer oder in einen China-Kracher.

Patriotische Briten bekommen das Feuerwerk in den Nationalfarben rot, weiß, blau mit entsprechender Musikbegleitung. Wer etwas tiefer in die Tasche greift, kann wählen zwischen "A Spectacular Goodbye" ("eine ausgewogene Vorstellung für jeden Geschmack") und dem Tableau "Go Out with A Bang" ("mit einer Betonung des Dramatischen und viel Lärm"). Nicht zu vergessen: Jeder Feuerwerker hat die "Trauerweide" in seinem Arsenal, eine Rakete, die in langen, feurigen Schnüren zurück zum Boden regnet.

Mr. Enterprise im Orbit

Vollends umweltverträglich freilich ist "The Final Frontier" - die ultimative Grenze. Dazu schließt sich Jamieson mit dem kalifornischen Unternehmen Celestis zusammen, das soeben angekündigt hat, Gene Roddenberry, den Schöpfer der Fernsehserie "Raumschiff Enterprise" auf seine allerletzte Reise zu schicken.

Der 1991 gestorbene Autor hatte verfügt, dass seine Asche in die unendlichen Weiten des Weltalls gefeuert wird. Ein wenig wird er sich noch gedulden müssen. Erst 2012 ist die Rakete mit dem schönen Namen "Der Flug der Gründer" startklar. Mit an Bord werden seine Frau Majel sein sowie der Schauspieler James Doohan, der - "Beam mich hoch, Scottie" - den Chefingenieur der Enterprise spielte.

Ein paar Gramm von Gene Roddenberry freilich befinden sich schon seit 1995 in einer Umlaufbahn um den Globus. Bei dieser erdnahen Bestattungsvariante wird die winzig kleine Aschekapsel ausgestoßen, sobald das Trägerraumschiff seinen Orbit erreicht hat. Sie kreist solange um die Erde, bis sie durch die Anziehungskraft hinabgezogen wird und in der Atmosphäre verglüht.

All diese Lösungen sind letzten Endes vergänglich. Wer wirklich für die Ewigkeit plant, der kommt um das Unternehmen LifeGems in Sussex südlich von London nicht herum. 2500 Euro kostet es, und die Asche des teuren Verblichenen wird zu einem funkelnden Diamanten gepresst - ein bleibender Gruß des liebenden Ehemannes an die trauernde Witwe. Denn sie weiß ja: Diamonds are forever.

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SZ vom 31.01.2009/cop
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