Ermittlungen gegen Jürgen Schneider:Krumme Geschäfte im Grandhotel

In den neunziger Jahren war Jürgen Schneider wegen frisierter Immobiliengeschäfte verurteilt worden. Nun ist der ehemalige Baulöwe wieder im Visier der Justiz. Die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt wegen Verdachts auf Betrug.

Hans Leyendecker

Auf dem Petersberg bei Bonn haben Könige und Staatspräsidenten genächtigt. Weil der Ort nur 15 Kilometer vom Regierungsviertel entfernt lag, entstand auf dem Berg das Gästehaus der Bundesregierung. Mit Blick auf das Rheintal regierten von dort oben nach dem Zweiten Weltkrieg die Hohen Kommissare die westlichen Besatzungszonen. Kein schlechter Platz also für Leute mit blendender Erscheinung.

FORMER TYCOON JUERGEN SCHNEIDER ARRIVES AT LEIPZIG CITY RAILWAY STATION

"Mehr Schein als Sein": Ex-Bauunternehmer Jürgen Schneider hat mit getürkten Immobiliengeschäften einen Milliardenschaden angerichtet, saß dafür im Gefängnis. In Leipzig, wo er fast 60 Häuser in bester Lage besaß, wird er noch heute gefeiert wie ein Star.

(Foto: Reuters)

Der Großpleitier Dr. Utz Jürgen Schneider, der berühmte "Peanuts-Schneider", der mit frisierten Immobiliengeschäften einen Milliardenschaden angerichtet hatte, wurde in den vergangenen Jahren dort häufiger gesehen.

Im Dezember 1997 war er zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Durch die Anrechnung der Untersuchungshaft kam er bereits im Dezember 1999 wieder frei. Nach seiner Freilassung traf er Journalisten zum Interview am liebsten im Grandhotel Petersberg, meist im Salon Dresden, denn Schneider legte immer schon Wert auf den richtigen Rahmen.

Neuerdings weiß man auch, dass er dort häufiger Geschäftsleuten begegnet ist und möglicherweise nicht in bester Absicht. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat den ehemaligen Baulöwen wegen Verdachts des Betruges in drei Fällen angeklagt. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein, einmal soll er in zwei Tranchen insgesamt 67.000 Euro ergaunert haben. Schneider mag sich auf Anfrage nicht zu Details äußern. "Jetzt muss das Gericht seine Arbeit machen", sagt er. Aber "wenn das alles vorbei" sei, wolle er sich melden. "Ganz bestimmt." Sicher.

Der Pleitier mit den feinen Manieren, der seine Erlebnisse in Büchern wie Alle meine Häuser und Bekenntnisse eines Baulöwen aufgeschrieben hat, soll eine ganz billige Masche draufgehabt haben.

Wenn eher unbekannte Unternehmen aus schwierigem Milieu oder kleinere Fonds in Zeitungsanzeigen nach Leuten suchten, die sich geschäftlich engagieren wollten, konnte es passieren, dass sich Doktor Schneider bei ihnen meldete. Er soll sich wechselweise als Vertreter einer Familiengesellschaft oder einer Vermögensverwaltung ausgegeben haben, die drei bis fünf Millionen Euro investieren wolle. Verhandelt wurde an historischer Stätte auf dem Petersberg.

Zur Prüfung der angeblichen Investition soll er eine Art Sicherheit vorab verlangt haben, als Bearbeitungsgebühr oder auch als "Zeichen, dass man an das Projekt" glaube. Man ist ja schließlich kein Niemand.

Andererseits: Wenn die mehr als fünfzig Banken früher so kleinkariert im Immobilienskandal verfahren wären, hätte es die Milliardenpleite nicht gegeben.

Kleinere Fondsvertreter, die 10.000 Euro vorab zahlen sollten, mochten dann doch nicht. Ahnten sie etwas? Ein Unternehmen, das Casinos in Tschechien hochziehen wollte, war hingegen sehr interessiert. Angeblich wollte die von Schneider vertretene angebliche Gesellschaft drei Millionen Euro in den Topf werfen und im Gegenzug unter anderem dreißig Prozent Gewinnanteil erhalten.

40.000 Euro zahlten die Zocker schon mal gleich, dann soll Schneider gesagt haben, es gebe Probleme mit der "Sperrminorität" in der Familiengesellschaft. Weitere 27.000 Euro waren notwendig. Aber die drei Millionen flossen trotzdem nicht. Auch im dritten Fall soll es um eine Sperrminorität gegangen sein. Die Firma zahlte ebenfalls nicht.

Wahrlich kein Saubermann

Die Strafverfolger meinen, der frühere Immobilienspekulant sei weder bereit noch in der Lage gewesen, das Geld zu zahlen. Ein Pleitier eben. Der Mann, der mal der Liebling der deutschen Banker war und, wie es im Urteil des Frankfurter Landgerichts steht, für kurze Zeit ein "attestiertes Nettovermögen" von umgerechnet 2,5 Milliarden Euro hatte und nach dem unvermeidlichen Crash 1994 mit umgerechnet 122 Millionen Euro geflüchtet war, soll sich wegen ein paar lumpiger zehntausend Euro so in Gefahr gebracht haben?

GÄSTEHAUS PETERSBERG

Die Eingangshalle des Gästehauses der Bundesregierung bei Bonn: Dort hat sich Jürgen Schneider offenbar häufig mit Geschäftsleuten getroffen - und das nicht in bester Absicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn.

(Foto: dpa)

Gut, er war kein Saubermann. Mit vorgetäuschten Mieten, gefälschten Unterschriften, Scheinrechnungen und dubiosen Immobilienplänen hatte er sich damals das Vertrauen der Kreditinstitute erschlichen. Auf Tarnung verstand er sich. "Zum Angeben bei den Banken", das hat er vor knapp zwei Jahren der Süddeutschen Zeitung erzählt, habe er sich sogar ein Schlösschen geleistet. "Mehr Schein als Sein." Aber das habe er sich doch nur bei den Banken abgeguckt, weil er bei schönen Häusern alles vergessen habe.

"Gier frisst Hirn" hat Schneider in einem seiner Bücher geschrieben. "Die Resozialisierung ist gelungen", hat er in die Kameras gesagt. Auch wusste er zu berichten, "viele Freunde und Bekannte" fragten ihn, "wie macht man dies, wie macht man jenes? Da gebe ich hie und da ein paar Tipps". Mehr nicht. Ehrenwort?

Von Fassadenkosmetik versteht der einstige Bauunternehmer eine Menge. Aus der Mitschuld der Banken in seinem Fall wurde oft die Schuld der Banken. Der Mann, der allein in Leipzig 59 Häuser in bester Lage besaß und vor der Milliardenpleite als Mäzen der Sachsen-Metropole gefeiert worden war, gab stets den Ehrenmann.

Als er im Vorjahr wieder Leipzig besuchte, war er eine Attraktion. Ein Fernsehteam hielt jeden seiner Schritte fest. Passanten baten ihn um ein Autogramm. Es gab öffentliche Führungen durch die Stadt "auf den Spuren Jürgen Schneiders".

In Auerbachs Keller zu Leipzig hängt ein Gemälde mit einer Szene aus Goethes "Faust". Der Maler Volker Pohlenz hat Mephisto das Gesicht Schneiders gegeben: Der Teufel gibt den Narren und verspricht dem Kaiser Hilfe in dringlichen finanziellen Angelegenheiten: "Was könnte da zum Unheil sich vereinen? Zur Finsternis, wo solche Sterne scheinen."

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