Erdbeben in Nepal:Die Wut nach dem Beben

Nepal magnitude-7.8 earthquake

Die ersten Tage nach dem Beben zeigen, dass der kleine Himalaja-Staat Nepal ganz besonders verwundbar erscheint.

(Foto: dpa)

Auch ein armes Land könnte mehr Vorsorge leisten, als es die Regierung in Kathmandu getan hat. Die Politiker in Nepal beschäftigten sich lieber mit ihrem Machterhalt als mit den Gefahren für die Bürger.

Kommentar von Arne Perras

Als wäre ein böser Riese durch die Täler gewandert. Einer, der in seiner Wut alles niedertritt, bis kein Stein mehr auf dem anderen steht. So sieht es aus, wenn man in einem Helikopter über ein Erdbebengebiet im Gebirge fliegt und auf zerstörte Dörfer hinunterblickt. Solche Bilder boten sich immer wieder in Kaschmir. Jetzt kommen sie aus Nepal.

Das Beben hat das Land binnen zwei Minuten ins Chaos gestürzt. Kein wütender Riese war da am Werk, aber doch Kräfte, denen kein Mensch und auch kein Staat gewachsen ist. Niemand kann sie steuern, niemand stoppen. Deshalb ist jedes Land, das von einem schweren Beben heimgesucht wird, erst einmal überfordert, ob es nun arm ist oder reich. Die Erdstöße stürzen Hunderttausende Familien ins Unglück. Ein kollektives Trauma greift um sich. Zugleich rücken Menschen in extremer Not zusammen. Sie retten einander, trösten einander. So ist es auch in Nepal.

Das Land ist arm - dennoch hätte die Regierung vorsorgen müssen

Die ersten Tage nach dem Beben zeigen aber auch, dass der kleine Himalaja-Staat ganz besonders verwundbar erscheint. Dass er schlechter gewappnet ist als viele andere Länder. Das mag verwundern angesichts der Tatsache, dass Geologen und Seismologen schon seit vielen Jahren vor einem solchen - oder noch schlimmeren - Szenario gewarnt haben. Der Staat Nepal aber hat kaum gehandelt.

Nun kann man sagen, dass dies ein sehr armes Land mit sehr begrenzten Mitteln ist. Das stimmt. Aber knappe Kassen erklären die Verletzlichkeit nur unzureichend. Denn um gute Vorsorge zu leisten und die Menschen auf das Schlimmste vorzubereiten, kommt es nicht alleine auf Geld an. Man muss auch den Willen aufbringen.

Die Regierung ist schwach und vor allem mit sich selbst beschäftigt. Es geht um den eigenen Machterhalt. Nepal hat jahrelang unter dem Konflikt mit den maoistischen Rebellen gelitten. Der zähe Bürgerkrieg lenkte lange ab von der Gefahr drohender Beben. Jetzt ist der Schock umso größer.

Hunderttausende müssen sich selber helfen

Wenn nun Überlebende rund um die Hauptstadt Kathmandu wütend werden auf ihre Regierung, dann haben sie allen Grund dazu. Denn der Staat, der die Gefahr sah, hat nicht genug vorgesorgt. Er hat, wie nun auf sehr schmerzhafte Weise deutlich wird, eine existenzielle Bedrohung nicht ernst genug genommen.

Die Versäumnisse der Politik bremsen die Hilfe. Das ist schlimm für Kathmandu. Aber noch verheerender ist es in den abgeschnittenen Tälern, wo die Helfer noch mit ganz anderen Problemen kämpfen, vor allem mit der Tücke der Topografie. Das Hochgebirge ist eines der schwierigsten Einsatzgebiete, es ist gefährlich, weil weitere Erdrutsche drohen. Und viele Orte sind nur aus der Luft zu erreichen.

Den Nothelfern sind enge Grenzen gesetzt

Selbst im hoch technisierten 21. Jahrhundert lassen sich nicht alle Hubschrauber, die nötig wären, über Nacht nach Nepal schaffen. Das bedeutet, dass sich Hunderttausende Menschen noch lange selber helfen müssen, bevor sie - vielleicht - irgendwann ein Helikopter erreicht.

Die Helfer müssen nicht nur Verletzte retten, sondern auch Medikamente und Nahrung liefern, Wasser aufbereiten, Zelte und Decken verteilen. Die traurige Einsicht dieser Tage aber lautet: Diejenigen, die sie am dringendsten brauchen, sind noch unerreichbar. Den Nothelfern sind enge Grenzen gesetzt. Sie könnten viel mehr tun, wenn sie nur dort hinkämen, wo sie am meisten bewirken würden.

Angesichts der Engpässe wirkt der Rummel um die Bergsteiger am Mount Everest fast schon zynisch. In der Nothilfe sollten diejenigen zuerst gerettet werden, die in der schlimmsten Lage sind. Selbst dann, wenn sie keine teuren Versicherungen besitzen. Manche, nicht ganz unbekannte Bergsteiger, die schon frühzeitig oben waren auf dem höchsten Berg der Welt, haben das zum Glück auch so gesagt.

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