Naturkatastrophen:"Deutschland wird ein Waldbrandland"

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Anfang des Monats brannte es in der Lieberoser Heide im Süden Brandenburgs. (Foto: dpa)

In Griechenland und Schweden stehen mehrere Gebiete in Flammen, Dutzende Menschen kamen ums Leben. Auch Deutschland muss sich künftig auf solche Katastrophen einstellen, sagt Feuerökologe Johann Goldammer.

Interview von Titus Arnu

SZ: War die Katastrophe in Griechenland vorhersehbar?

Johann Goldammer: Was in Athen passiert, ist sehr dramatisch und erinnert an die Situation in Portugal vergangenes Jahr - dort starben bei zwei Waldbränden mehr als 100 Menschen. Das zugrunde liegende Problem ist typisch für die Mittelmeer-Anrainerstaaten. In den ehemals ländlichen Gebieten rund um Athen wird die Vegetation nicht mehr so intensiv genutzt wie früher. Stattdessen gibt es im Umland der Großstädte zunehmend urbane Strukturen, dazwischen Brachflächen und Gärten. Das macht die Situation so gefährlich.

Inwiefern?

Ziegen und Schafe haben früher in solchen Regionen Gras und Büsche weggefressen, dadurch sah die Landschaft vielleicht kahl aus, aber große, verheerende Feuer kamen kaum vor. Heutzutage bestellen die Leute das Land nicht mehr, es gibt mehr Ferienhäuser, Gärten und Bäume - das ist das große Problem in vielen südeuropäischen Ländern. Stadtrandgebiete sind immer besonders anfällig für solche Katastrophen. Feuer kennen eben keine Grenzen.

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Auch in Schweden wüten verheerende Waldbrände. W as ist dort die Ursache?

Die Situation in Schweden ist sehr problematisch, sie wird jede Menge Schäden verursachen. Zum Glück ist das Land nicht so dicht besiedelt. Es gab in den letzten Tagen bis zu 80 Brände, die Schweden mussten Hilfe aus dem Ausland holen.

Haben die meisten Waldbrände natürliche Ursachen oder werden sie durch Menschen ausgelöst?

Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Wenn in Brasilien die Rauchwolken aufsteigen, sind meistens Brandrodungen die Ursache. Dort wird Wald vernichtet, um Anbauflächen für Soja und Zuckerrohr zu schaffen. Diese Feuer sind vorsätzlich gelegt. Bei uns werden die Brände meist unabsichtlich verursacht, etwa durch heiß gelaufene landwirtschaftliche Maschinen. Viele Feuer entstehen durch Fahrlässigkeit, etwa durch Grillfeuer. Weggeworfene Zigarettenkippen oder der legendäre Brennglas-Effekt durch Glasscherben sind dagegen äußerst selten Ursache. In Alaska, Sibirien oder etwa Schweden ist das Feuer ein Teil der Natur. Bevor der Mensch eingegriffen hat, wurden dort durch Blitzschlag immer wieder Brände ausgelöst, und der Wald hat sich damit arrangiert. Wenn der Mensch dort siedelt, wo das Feuer wohnt, führt das zwangsläufig zu Konflikten.

Wo sind die wichtigsten Konfliktzonen?

Im Mittelmeerraum, in Kalifornien, Australien, im südlichen Afrika, in Indonesien und in Südamerika. Und zunehmend auch in nördlicheren Regionen. Es wird enger auf dem Globus, der Mensch und die Natur kommen immer öfter in Konflikt, da gilt es, Kompromisse zu finden. Wir können und wollen das Feuer nicht überall löschen, aber wir müssen es besser managen. Das verstehen in Deutschland aber leider viele noch nicht.

Johann Georg Goldammer ist Feuerökologe an der Außenstelle des Max-Planck-Instituts für Chemie in Freiburg und Europas einziger Waldbrand-Professor. Der Feuerökologe erforscht in Freiburg im Breisgau die Auswirkungen von Bränden auf Natur- und Kulturlandschaften. (Foto: privat)

Ist zu erwarten, dass es auch in Deutschland durch den Klimawandel öfter zu großen Landschaftsfeuern kommen wird?

Absolut. Dass die Waldbrandgefahr in Skandinavien und Norddeutschland immer öfter so hoch ist wie zurzeit, hat sicher auch mit dem Klimawandel zu tun. Deutschland wird ein Waldbrandland. In Schweden ist jetzt gerade eingetreten, was ich auch für Deutschland erwartet habe und seit Jahren den Behörden vermitteln möchte. Bis jetzt fehlen Logistik, Technik und Strategien für große Landschaftsfeuer. Es gibt kein einziges Löschflugzeug bei uns. Das mag bis heute durchaus verständlich sein, denn die letzte Waldbrand-Katastrophe in Deutschland liegt lange zurück. Sie ereignete sich 1975 in Niedersachsen, da brannten 8000 Hektar Wald ab. Doch das Klima ändert sich, und wir dürfen uns nicht länger zurücklehnen. Wir sind unter dem Strich nicht vorbereitet.

Was fehlt?

Obwohl einige Feuerwehren durchaus Erfahrung haben mit Landschaftsbränden und die Wälder gut mit Wegen erschlossen sind, wären große Flächenbrände unter den derzeitigen Bedingungen nur schwer in den Griff zu bekommen. Es fehlt an einschlägiger Ausbildung der Feuerwehren und auch an speziellen Gerätschaften, es gibt keine die Bundesländer übergreifende Katastrophenpläne. Man hat sich hierzulande zu lange in Sicherheit gewogen. Wir sollten gewarnt sein durch die Katastrophen in Griechenland und Schweden.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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