Naturkatastrophe in den USA:Tornado-Serie löst AKW-Alarm aus

300 Menschen sind tot, Präsident Obama spricht von "herzzerreißenden" Verlusten. Nach der schlimmsten Tornado-Serie seit Jahrzehnten in den USA kam es in Alabama auch zu einem AKW-Störfall.

Nach der schlimmsten Tornado-Serie seit fast vier Jahrzehnten im Südosten der USA steigt die Zahl der Todesopfer immer weiter. Mindestens 297 Menschen wurden in sechs US-Bundesstaaten in den Tod gerissen, allein 210 davon in Alabama. Aus Mississippi und Tennessee wurden jeweils 33 Tote gemeldet. 15 Menschen starben in Georgia, fünf in Virginia. In Kentucky wurde ein Mensch in den Tod gerissen.

The aftermath of overnight tornadoes show destroyed homes and vehicles in Pratt City

Apokalyptische Bilder: Pratt City, ein Vorort der am stärksten getroffenen Stadt Birmingham in Alabama.

(Foto: REUTERS)

Auch ein Atomkraftwerk musste vorübergehend mit Dieselgeneratoren betrieben werden, nachdem die externe Stromversorgung zusammengebrochen war. 50 Kilometer westlich der Stadt Huntsville im Bundesstaat Alabama schnitt der Sturm das AKW Browns Ferry vom Netz ab. Das Sicherheitssystem mit sieben Dieselgeneratoren habe plangemäß funktioniert und der Vorfall sei auf dem niedrigsten Gefahrenniveau eingestuft worden, teilte die US-Atomsicherheitsbehörde allerdings mit.

"Es sieht aus wie ein Kriegsgebiet"

Ein Bild der Zerstörung bietet sich in Birmingham, der größten Stadt in Alabama. Ganze Straßenzüge sind verwüstet, Bäume wie Zahnstocher umgeknickt, massive Werbetafeln verbogen: "Es sieht aus wie ein Kriegsgebiet", sagte eine ältere Frau, die einen großen Koffer die mit Schutt bedeckte Straße hinunterzieht. "Alles, was ich will, ist hier wegzukommen." Weg von einem Ort, der von der gewaltigsten Tornado-Katastrophe des Landes seit Jahrzehnten besonders heftig getroffen wurde. In der Metropolenregion leben rund 1,2 Millionen Menschen.

Vor allem in Vororten mit leicht gebauten Holzhäusern konnten die Wirbelstürme ihre ganze zerstörerische Kraft entfalten. Im Stadtteil Smithfield etwa rissen sie Gebäuden das Dach weg, hoben andere komplett aus dem Fundament. Umfallende Bäume krachten in Eigenheime, die nun verlassen und in zwei Teile zerborsten auf die Rückkehr ihrer Bewohner warten. Durchtrennte Stromleitungen baumeln gefährlich über dem Boden, von den Böen umhergeschleuderte Autos liegen quer auf der Straße.

Bürgermeister William Bell bemühte sich im Radiosender NPR, die Schäden in Worte zu fassen. "Ganze Wohngegenden sind weg. Kirchen sind weg. Geschäfte weg", sagt er. "Als ob jemand eine Bombe abgeworfen hätte." Ein Ladenbesitzer erinnerte sich an die Szenerie: "Es fielen Holzbalken vom Himmel", sagt er.

Hunderte oder womöglich Tausende wurden verletzt. Rettungskräfte suchten am Donnerstag in den Trümmern zerstörter Häuser nach Überlebenden. Die Unwetterfront richtete am Mittwoch insgesamt von Texas bis New York schwere Schäden an. Es ist absehbar, dass die Katastrophe die Tornado-Serie von 1974 übertreffen wird, als 310 Menschen ums Leben gekommen waren.

US-Präsident Barack Obama will heute in das Katastrophengebiet reisen und sich persönlich ein Bild vom Ausmaß der Schäden machen. Dem Bundesstaat Alabama sagte er Bundesmittel zur Bewältigung der Naturkatastrophe zu. Eine vom Präsidenten unterzeichnete Erklärung ermöglicht Betroffenen, finanzielle Hilfe zu beantragen. "Der Verlust von Menschenleben ist herzzerreißend, insbesondere in Alabama", sagte er am Donnerstag in Washington. Innerhalb weniger Stunden hätten die "zerstörerischen Stürme" ganze Ortschaften verwüstet. Der Präsident schickte den Leiter der nationalen Katastrophenschutzbehörde FEMA, Craig Fugate, zur Koordinierung der Hilfsmaßnahmen nach Alabama.

Er trifft an vielen Orten auf massive Zerstörungen: Rund um die Stadt Tuscaloosa stürzten Bäume und Strommasten auf die Straßen, zahlreiche Autofahrer ließen ihre Wagen stehen, um Schutz zu suchen. In Huntsville mussten auch die Meteorologen des Nationalen Wetterdienstes vor Tornados in einen Schutzraum flüchten und ihre Überwachungsaufgaben auf die Kollegen in Mississippi übertragen. In der gesamten Region seien 137 Tornados gemeldet worden, sagte die Meteorologin Chelly Amin.

Etwa eine Million Menschen in Alabama hatten nach Angaben von Gouverneur Robert Bentley keinen Strom. Die Schäden seien derart enorm und so weit verbreitet, dass es wahrscheinlich Tage dauern werde, bis das Ausmaß der Katastrophe abzusehen sei, sagte Bentley.

Und die Menschen warten gebannt auf die nächsten Tage: Am Samstag soll eine neue Unwetterfront über mehrere Bundesstaaten hinwegziehen.

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