Süddeutsche Zeitung

Nanga-Parbat-Unglück: Videokonferenz:"Dann war Karl weg"

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Nach ihrer Rettung galten die ersten Gedanken ihrem verunglückten Kollegen Karl Unterkircher: In einer Videokonferenz haben Walter Nones und Simon Kehrer den Moment des Absturzes eindringlich beschrieben.

Einen Tag nach ihrer Rettung vom Nanga Parbat haben sich die beiden Südtiroler Bergsteiger bei den Helfern bedankt und der Familie ihres verstorbenen Bergkameraden Karl Unterkircher kondoliert. "Ich danke allen, die uns in den letzten Tagen beigestanden haben", sagte Walter Nones am Freitag nach der Ankunft in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. "Im Gebirge ist es immer schwierig, solche Probleme zu lösen." Bei einer Pressekonferenz mit dem zweiten Bergsteiger Simon Kehrer nannte Nones es "eine große Tragödie, dass wir unseren guten Freund verloren haben, einen großen Bergsteiger und den Chef unseres Teams. Wir sprechen der Frau und den drei Kindern unseres Freundes, die in Italien sind, unser tiefes Beileid aus."

Direkt nach ihrer Rettung am Donnerstag aus rund 6000 Metern Höhe waren die Südtiroler mit einem Hubschrauber in die Stadt Gilgit gebracht und dort medizinisch untersucht worden. Dort gaben sie auch eine erste Videokonferenz, bei der sie die dramatischen Ereignisse ihres Abstiegs schilderten. "Das waren keine schönen Tage, aber dank unserer Kraft haben wir es geschafft, gesund und sicher ins Basislager zu gelangen", sagte Nones in der Schaltung. "Wir haben in den letzten Tagen Schritt um Schritt die Kraft zum Abstieg gesammelt. Leider waren wir nur noch zu zweit."

Die Südtiroler Alpinisten erzählten auch vom Unfall ihres Kletter-Kollegen Karl Unterkircher, der bei der Besteigung über die bisher noch nicht erklommene Rakhiot-Eiswand abgestürzt war. "Wir waren auf 7400 Meter. Der Schnee war weich, Karl ging langsam vorwärts, man sank bis zu den Knien ein. Dann war er nicht mehr zu sehen. Er ist 15 Meter gefallen, über ihm ist viel Schnee mit eingebrochen." Kehrer sei sofort an der Unfallstelle gewesen, berichtete Nones: "Ich habe ihn gesichert. Aber man sah nichts. Dann sagte Simon: 'Vielleicht habe ich etwas gefunden' Er grub mit den Händen - aber Karl war weg."

Auch über die Folgetage redete Nones in der Videokonferenz. "Wir haben uns zum weiteren Aufstieg entschlossen, weil es weniger risikoreich schien als 2000 Meter in diesem Gelände abzusteigen." Für das letzte Wegstück bis zur Rettung sei das Wetter lange zu schlecht gewesen.

Diskussion über Kosten

"Es war unser Ziel, Karl nach Hause zu bringen. Das ist es noch heute. Aber das war nicht möglich", sagte Nones. Und ein sichtlich bewegter Simon Kehrer ergänzte: "Natürlich war es ein Schock, einen großen Freund, einen großen Alpinisten, vor unseren Augen verschwinden zu sehen."

Die Leiche Unterkirchers wird nicht geborgen. Agostino da Polenza, der von Italien aus die Rettung geleitet hatte, sagte, der Leichnam werde am Nanga Parbat bleiben. "Wir müssten andere Leben riskieren, um ihn zu bergen und das ist unmöglich. Ich bin sicher, dass auch Karl es so gewollt hätte."

In die Freude über die Rettung mischen sich die Trauer um Unterkircher - und Kritik an der Rettungsaktion. "Diese Operation ist eine unglaubliche Schande gewesen, man hat den Sinn für das Maß verloren", prangerte der bekannte Bergsteiger Fausto De Stefani die Helikopterflüge zur Rettung von Simon Kehrer und Walter Nones an.

Italienische Zeitungen warfen am Freitag vor allem die Frage auf, ob die Rettungsflüge überhaupt notwendig gewesen seien. "Sie sind aus eigener Kraft (bis auf 5700 Meter) abgestiegen und hätten auch so in das Basislager zurückkehren können", meinte die römische Zeitung La Repubblica. Wer einen Achttausender besteigt, der weiß, was auf dem Spiel steht, machte De Stefani deutlich, der alle 14 Achttausender der Welt gemeistert hat. "Alpinismus ist eine Wahl, die man trifft, man ist kein Arbeiter, der zur Arbeit gehen muss, um Geld zu verdienen." Und auch Kehrer und Nones müssten sich ärgern, seien die Retter doch gekommen, ohne dass sie darum gebeten hätten, sagte er der Zeitung La Stampa.

"Dieses ganze Aufgebot beim Rettungseinsatz hatte fast einen militärischen Anstrich", meinte die Chefin der Zeitschrift Alp, Linda Cottino: "Das sah mir ganz wie eine große Inszenierung für das Publikum aus." Die Aktion sei aber nicht ganz überflüssig gewesen. Sie sei psychologisch für die beiden Bergsteiger wichtig gewesen.

Die Kosten für die Rettungsaktion sollen nach jüngsten Schätzungen des Flugrettungsdienstes 50.000 Euro betragen. Angaben der italienischen Botschaft in Pakistan zufolge soll der Großteil davon von der Regierung in Rom übernommen werden.

Der Sprecher des pakistanischen Flugrettungsdienstes Askari Aviation, Mohammad Ilyas, sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, nach ersten Schätzungen seien die beiden Hubschrauber jeweils bis zu 25 Stunden eingesetzt gewesen. Bei einem Stundensatz von 1712 Dollar entstünden so Kosten bis zu 85.600 Dollar (54.597 Euro).

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