Vornamen:Nomen est nomen

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Innenministerin Nancy Faeser hat sich dazu geäußert, wie die Gesellschaft mit radikalen Gegnern der Corona-Politik umgehen sollte. (Archivbild) (Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

Eine Nancy wird Innenministerin, ein Kevin SPD-Generalsekretär. Kann man sich jetzt also über vermeintliche Underperformer-Namen gar nicht mehr lustig machen?

Von Marcel Laskus

Damit wäre es gleich zweifach belegt: Ein Underperformer-Name hindert nicht daran, High Performer zu sein. Nancy Faeser wird Innenministerin in der neuen Bundesregierung, Kevin Kühnert designierter Generalsekretär der SPD.

Dabei passt es nur zu gut, dass viele von der einen überrascht und von dem anderen noch immer überfordert sind. Menschen namens Kevin oder Nancy hat man eben, zumindest unterbewusst, eher am Rande auf dem Zettel stehen. Bei den Ritalin-Abhängigen. Bei den Sportskanonen. Aber nicht bei den Entscheidern dieses Landes. Ähnliches gilt für Justin, für Mandy, für Jaqueline und in abgeschwächter Form auch für den Namen des Autors dieser Zeilen. Auch dank Nancy Faeser und Kevin Kühnert ändert sich das nun ein bisschen.

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Es ist nicht lange her, da war es schwer in Ordnung, sich zumindest heimlich über vermeintliche Asi- und Ossi-Namen zu beömmeln. In den 80er- und 90er-Jahren entschied sich eine große Zahl von Eltern, gerade aus dem freiheitsdurstigen Osten des Landes, ihre Kinder nicht mehr nach Großvater Wilhelm und Großtante Charlotte zu benennen, sondern nach Idolen aus der britischen, französischen und US-amerikanischen Popkultur. Kevin Costner, Marvin Gaye, Jacqueline Kennedy und Patrick Swayze dienten als Vorbilder. Ziemlich kosmopolitisch eigentlich. Ein paar Jahre später aber, als die Kevins längst in der Schule waren, mussten ihre Eltern begreifen, wie naiv ihre Namenswahl in den Augen einiger anderer war.

"Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose."

2009 zementierte das eine Studie der Universität Oldenburg, die einerseits belegte, wie gut es um das Ansehen von Sophie und Alexander in der deutschen Lehrerschaft stand - und wie schlecht andererseits um die Mandys, Chantals und Justins. Eine Lehrerin diktierte den Forschern gar den ungeheuerlichen Satz in den Block: "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose." Synchron dazu half das Privatfernsehen mit, die Klischees in den Köpfen zu verfestigen. Bei der "Super Nanny" wurden schwer erziehbare Kinder mit schwer exotischen Namen auf die stille Treppe verdammt. Bei den "Wollnys" bekamen die Zuschauer den chaotischen Alltag einer Familie mit 13 Kindern zu sehen. Die trugen dann Namen, die dem Bürgertum so fremd waren wie Chips als Hauptmahlzeit: Sarafina, Calantha, Jeremy-Pascal. Wer heißt denn so?

Heute gibt es diese Sendungen nicht mehr. Auch die Komikerin Ilka Bessin hat ihr Alter Ego Cindy aus Marzahn abgelegt, schon vor fünf Jahren. Viele Kevins sind nicht mehr im quengelnden Teenager-Alter und können ihr Ritalin, falls notwendig, diskret selbst dosieren, ohne dass gleich eine TV-Kamera draufhält. Und siehe da: Wenn man ihnen Zeit und Raum gibt, können sie nicht nur gute Fußballer und Unterwäschemodels sein. Sie schaffen es auch an die Spitze des Bundesinnenministeriums und zum Generalsekretär von Deutschlands größter Partei.

Die Kabinette Merkel I bis IV waren noch durchweg für die Guidos und Wolfgangs der Republik reserviert. Dabei hätte Angela Merkel als Ostdeutsche doch auch mal eine Jaqueline oder einen Justin zum Minister berufen können. Nun übernimmt eben die Zeit diese Aufgabe. Die Kohorten der Kevins und Nancys sind erwachsen geworden, sie drängen nach vorne. Und widerlegen ihr eigenes Klischee.

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