Namen, die keiner mehr nennen will:Hindenburg ist out

Dürfen Weltkriegsgeneräle und Kolonialherren als Namensgeber für öffentliche Orte dienen? Über diese Frage ist ein heftiger Streit entbrannt, wie Beispiele in Trier, München oder Berlin zeigen. Auch anderswo entscheiden sich Bürger und Politiker für eine Umbenennung von Straßen und Schulen - oft nach langen Diskussionen.

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Paul von Hindenburg; AP

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Hindenburg hat ausgedient: In vielen Städten entscheiden sich Bürger und Politiker für eine Umbenennung von Straßen und Schulen - oft nach langen Diskussionen.

Das Hindenburg-Gymnasium Trier

Vom einstigen Stolz ist nichts mehr zu spüren. Am heutigen Donnerstag trifft sich die Schülergemeinschaft des Trierer Hindenburg-Gymnasiums, um Vorschläge für einen neuen Namenspatron zu sammeln. Die CDU-Stadtratsfraktion brachte die Diskussion mit einem Antrag auf Namensänderung ins Rollen. Einerseits wurde Paul von Hindenburg als Reichspräsident von 1925 bis 1934 vom Volk gewählt. Andererseits steht er für die Dolchstoßlegende, die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz. Hindenburg passe nicht zum Anspruch der Schule im deutsch-luxemburgischen Grenzgebiet, sagen Kritiker. Vor kurzem erst hat sich die Hindenburg-Schule in Nienburg an der Weser in Marion-Dönhoff-Gymnasium umtaufen lassen. Anfang März soll der Trierer Stadtrat entscheiden; eine Mehrheit gilt als sicher. Die SPD will zudem, dass die Trierer Hindenburgstraße anders heißen soll. Diesen Antrag will die CDU aber auf keinen Fall unterstützen - weil sie kein grundsätzliches Problem mit Hindenburg hat.

Text: SZ vom 21.02.08/ Jochen Temsch Foto: AP

Meiserstraße München; dpa

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Die Meiserstraße in München

Fast ein Jahr lang wird nun schon um den Landesbischof Hans Meiser debattiert, der von 1933 bis 1955 die Geschicke der evangelischen Kirche in Bayern lenkte. Die Nationalsozialisten hatten ihn wegen seines Beharrens gegen die Gleichschaltung der Kirche unter Hausarrest gesetzt, hetzten gegen sein "volksverräterisches" Handeln. Posthum wurden Meiser antisemitische Äußerungen zum Verhängnis. Im Juli 2007 folgte der Stadtrat dem Vorbild Nürnbergs und beschloss die Umbenennung. Seit diesem Mittwoch heißt die Straße, in der pikanterweise das bayerische Landeskirchenamt seinen Sitz hat, nach Luthers Frau "Katharina-von-Bora-Straße". Beendet ist die Debatte nicht: Die Familie Meiser klagt gegen die Umbenennung.

Text: SZ vom 21.02.08/ Monika Maier-Albang Foto: dpa

Carl Diem; Scherl

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Der Carl-Diem-Weg in Köln

Im Januar schuf die Stadt Fakten. Seither hängen in der Straße nahe des Fußballstadions die neuen Schilder. Statt Carl-Diem-Weg heißt die Einbahnstraße, an der die Deutsche Sporthochschule liegt, nach Jahren des Streits nun Am Sportpark Müngersdorf. Die Hochschule, 1947 von jenem Diem gegründet und bis zu seinem Tod 1962 geführt, wehrt sich gegen die Umbenennung. Diem ist der Erfinder des deutschen Sportabzeichens, war Generalsekretär im Organisationskomitee für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Redemanuskripte belegen seine Rolle als NS-Vasall, auch wenn er nie NSDAP-Mitglied war. In einigen Städten wurden deshalb Straßen umbenannt. In Köln geht der Streit weiter: Das Hauptsacheverfahren ist beim Verwaltungsgericht anhängig.

Text: SZ vom 21.02.08/ Dirk Graalmann Foto: Scherl

Major Otto Friedrich von der Groeben

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Das Gröbenufer in Berlin

Ausgerechnet im multikulturellsten Flecken Berlins hat der Kolonialismus eine Heimat: Namenspate für diese Straße ist Otto Friedrich von der Groeben, der im heutigen Ghana die Handelskolonie Großfriedrichsburg gründete, die als wichtigster Sklavenumschlagplatz in Westafrika diente. In drei Jahrzehnten sollen aus der Kolonie mehr als 30.000 Menschen verkauft worden sein, auch als "Hofmohren" nach Berlin. Nach der Kritik afrikanischer und entwicklungspolitischer Vereine beantragten die Grünen die Umbenennung, die wegen der Mehrheiten im Bezirk als sicher gilt. Als Alternative ist May-Ayim-Ufer im Gespräch. Die Dichterin (1960-1996) war Aktivistin der afrodeutschen Bewegung. Ihr Ansinnen, zu deren Geschichte zu forschen, konnte sie nicht umsetzen: Ihre Abschlussarbeit wurde von einem Berliner Professor mit der Begründung abgelehnt, in Deutschland gebe es keinen Rassismus.

Text: SZ vom 21.02.08/ Claudia Fromme Foto: oh

Lenin-Standbild Wünsdorf; dpa

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Der standhafte Lenin von Schwerin

"Großer Dreesch" heißt Schwerins größtes Plattenbauviertel. Hier wohnen Familien, die aus der früheren Sowjetunion ausgereist sind. Wenn sie zum ersten Mal über den Dreesch laufen, stoßen sie auf ein Standbild. Den Mann, der seit 1985 selbstbewusst über den Dreesch schaut, kennen die Russlanddeutschen genau: Es ist Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin. Der Schweriner Lenin ist der letzte seiner Art in Deutschland. Jahrelang wurde über diese Frage mit einem Feuereifer gestritten, wie ihn in Schwerin sehr wenige Themen entfachen. "Wegreißen!", forderte ein FDP-Stadtvertreter. "Stehenlassen!", empfahl ein SPD-Kollege. Ansonsten würde man "den Menschen das Gefühl geben, dass man ihnen ein Stück ihres Lebens nimmt". Ergebnis: Es gibt kein Good-bye für Lenin. Allerdings bekam das Standbild eine 45 mal 45 Zentimeter große Tafel zugeeignet. "Lenins Diktatur bereitete den Weg für den kommunistischen Terror des 20. Jahrhunderts", ist dort zu lesen. Über die Formulierung hat der Kulturausschuss lange gerungen.

Text: SZ vom 21.02.08/ Arne Boecker Foto: dpa (im Bild: Lenin-Denkmal in Wünsdorf, südlich von Berlin, ehemaliges Hauptquartier der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland)

Theodor Leutwein

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Die Leutweinstraße in Stuttgart

Sehr groß ist sie nicht. Zwölf Hausnummern lang, gelegen im Stadtteil Obertürkheim beim Neckarhafen. Und obwohl sie nicht sehr lang ist, versucht Grünen-Bezirksbeirat Willi Schraffenberger seit 20 Jahren, der Straße einen anderen Namen zu geben. Theodor Leutwein, der Namensgeber, war von 1895 bis 1905 Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia. In Geschichtsbüchern kommt er ganz gut weg, weil er nicht so grausam war wie sein Nachfolger, General Lothar von Trotha, der den Stamm der Herero niedermetzelte. Davor, so berichtete der Historiker Jürgen Zimmerer kürzlich auf einem Vortag, habe Leutwein das Volk der Nama unterdrückt. Unter seiner Herrschaft seien Morde und Vergewaltigungen von Schwarzen toleriert worden. Leutwein war ein Kolonialherr, der die Rassentrennung propagierte und die Vernichtungspolitik seines Nachfolgers kritisierte, weil er die Leute lieber arbeiten ließ, als sie umzubringen. Bald will der Gemeinderat über die Leutweinstraße und ihren Namensgeber debattieren.

Text: SZ vom 21.02.08/ Bernd Dörries Foto: (Theodor Leutwein ganz links) oh

Erich Hoepner; Scherl

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Das Erich-Hoepner-Gymnasium Berlin

Man kann nicht gerade sagen, dass der Name des Gymnasiums zu dessen musischer Ausrichtung passt. Hoepner war einer von Hitlers hochdekorierten Panzergenerälen, der sich später dem Widerstand anschloss. Streit um den Namen gab es von Anfang an. Er wurde 1956 im Charlottenburger Rathaus beschlossen. Seitdem wird immer wieder mal diskutiert, ob Namenspatron Hoepner Jugendlichen ein Vorbild sein kann. Doch erst jetzt wird die Schule umbenannt. Zuvor hatten Schüler, Lehrer und Eltern zwei Jahre debattiert. Derzeit läuft an der Schule die Abstimmung über den neuen Namen. Die Vorschläge gehen von Heinz Berggruen über Ernst Lubitsch bis zu Kurt Weill. Im neuen Schuljahr wird der alte Name Vergangenheit sein.

Text: SZ vom 21.02.08/ Philip Grassmann Foto: Scherl

Wißmannstraße München

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Die Wißmannstraße in Hamburg

Das Denkmal vor der Hamburger Universität stürzten Studenten schon 1968, doch die Wißmannstraße im Stadtteil Wandsbek blieb erhalten. Hermann von Wissmann war Reichskommissar und Gouverneur der Kolonie Deutsch-Ostafrika, die sich seit 1885 über das Gebiet der heutigen Staaten Tansania, Burundi und Ruanda erstreckte. 1888 kam es zum Aufstand, der brutal niedergeschlagen wurde. Mordend und brandschatzend zog die "Wissmanntruppe" durchs Land. Schon zu Lebzeiten war Wissmann umstritten. In Hamburg hat ein Netzwerk aus Künstlern, Historikern und Schulen das Projekt "Wißmannstraße, vorübergehend" ins Leben gerufen. 2007 wurde mit einer Installation am Straßenschild über dessen Biographie aufgeklärt. Derzeit findet eine Forumsdiskussion im Internet statt, die im März im Kunsthaus Hamburg fortgesetzt wird.

Text: SZ vom 21.02.08 Foto: (Wißmannstraße in München) Catherina Hess

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