Nacht der Süddeutschen Zeitung:Merkel, Matthes und die Münchner Journalisten

Lesezeit: 3 min

Bei der "Nacht der SZ" in Berlin lässt sich die Kanzlerin nicht herumkommandieren, Schauspieler Ulrich Matthes verteilt Stilnoten, und Renate Künast erklärt, wie man Hass-Mails schreibt.

Von Christian Mayer

Wer sich in der Berliner Öffentlichkeit bewegt, kennt das Gebot der Fotografen: Du entkommst mir nicht! Das gilt natürlich auch für die "Nacht der Süddeutschen Zeitung", die dieses Mal im Humboldt-Carré am Gendarmenmarkt stattfindet, an einem Ort, der für Hochzeitsempfänge der gehobenen Art und Berlinale-Partys der glamourösen Sorte gemacht ist. Du entkommst mir nicht: Das gilt für Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Schauspielerin Natalia Wörner, für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller wie für die Fernsehfrauen Sabine Christiansen, Anja Kling und Miriam Pielhau oder den früheren Fußballnationalspieler Thomas Hitzlsperger.

Das Blitzlicht-Theater dauert etwas mehr als eine Stunde, dann kommt der Gast, der allein bestimmt, wo es langgeht. Angela Merkel lässt sich nicht gerne herumdirigieren, mit einer Handbewegung weist sie stattdessen allzu forsche Fotografen in ihre Schranken: Jetzt nicht, erst muss sie die gastgebenden Chefredakteure Kurt Kister und Wolfgang Krach begrüßen. Die Kanzlerin zieht die Herren sogleich mit einem Wink an ihre Seite: "Ein gemeinsames Bild machen wir jetzt aber schon." Zack, zack! Selbst erprobte Gesellschaftsreporter kommen kaum hinterher, als Merkel im Festsaal anschließend eine schnelle Runde dreht, ihren Außenminister begrüßt und zum Meinungsaustausch mit SZ-Redakteuren im Nebenraum verschwindet. Zwei Stunden lang dauert das Gespräch, in dem sich Merkel entschlossen zeigt, die Flüchtlingskrise zu meistern, ohne neue Mauern in Europa zu errichten.

Ist Ulrich Matthes' Bemerkung ein Kompliment - oder unverschämt?

Die Flüchtlinge und der Terror, das sind auch bei vielen anderen Gruppen abendfüllende Themen. Die Worte des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der die Asylpolitik der Kanzlerin gerade in ungewohnter Deutlichkeit kritisiert hat, hallen noch nach; aber zumindest von der CSU kommen am Montagabend eher nachdenkliche Töne. "Frau Merkel kennt unsere Befindlichkeiten, sie braucht noch etwas Zeit, um eine europäische Lösung zu finden", sagt Gerda Hasselfeldt. Die Landesgruppenchefin der CSU bekommt dann auf offener Bühne ein Kompliment des Berliner Schauspielers Ulrich Matthes, das man auch als hübsch drapierte Unverschämtheit deuten könnte, wenn man misstrauisch wäre: "Sie haben ja immer so dolle Schals an, Frau Hasselfeldt." - "Das sind immer Geschenke von meinem Mann." - "Dann hat Ihr Mann aber einen dollen Geschmack!"

Nacht der Süddeutschen Zeitung in Berlin
:Mit Merkel durch die SZ-Nacht in Berlin

Beim Empfang der Süddeutschen Zeitung kommt in Berlin die Prominenz aus Politik und Showbusiness bei Sekt zusammen. Auch die Bundeskanzlerin ist dabei.

Matthes zählt zu jenem Teil der Gäste, der in der Flüchtlingsfrage noch auf Merkel-Linie ist: "Meine Solidarität hat sie - es sind nur nicht mehr so viele . . ." Nicht ganz so gnädig urteilt der Künstler Klaus Staeck, bis 2015 ein stets streitbarer Präsident der Akademie der Künste: "Frau Merkel hält die wabernde Masse der Verängstigten noch irgendwie zusammen, aber sie hat mit ihrer Illusionspolitik einer Rundum-Sorglos-Gesellschaft die Leute auch entpolitisiert", sagt er. "Da muss sie jetzt durch."

Wie man sich etwas Luft verschafft, wenn alle auf einen einprügeln, erzählt die Bundestagsabgeordnete Renate Künast - als sie kürzlich nach einem Talkshow-Auftritt in "Hart, aber fair" 271 Hass-Kommentare auf ihrer Facebook-Seite lesen musste, veröffentlichte sie selbst eine "Hatespeech"-Anleitung, mit deren Hilfe ihre Gegner künftig noch leichter Dampf ablassen können. Die Grünen-Politikerin wirkt etwas ratlos, als sie berichtet, dass diese ironische Abrechnung gewisse Leute nur noch mehr in Rage versetzt. Du entkommst mir nicht: Das gilt leider auch für viele Wutbürger im Netz.

Der Gourverneur von Gaza verdankt der Einladung sein Leben

Mit solchen Fans hat die Köchin Sarah Wiener zum Glück eher wenig zu tun; auch sie wird im Humboldt-Carré heftig umschwärmt: "Dass ich so oft fotografiert werde, liegt doch nur daran, dass die Fotografen die wirklich wichtigen Leute nicht erkennen." Womit Wiener ziemlich recht hat: Der Gouverneur von Gaza, Abdallah Frangi, kommt zum Beispiel völlig ohne Blitzmomente durch den Abend, was den Vorteil hat, dass man ganz unaufgeregt mit sehr vielen Leuten ins Gespräch kommt. Frangi erzählt von seinem Glück, dass er anlässlich seines Berlin-Besuchs auch gleich ein deutsches Krankenhaus besuchen konnte, als es ihm plötzlich lebensbedrohlich schlecht ging. "Wäre ich hier nicht eingeladen gewesen, hätte ich vielleicht nicht überlebt."

Bis weit nach Mitternacht dauern die Gespräche, während die Musiker alte Hits von Elvis und Sinatra spielen, mit dem Erfolg, dass sogar Ulrich Matthes bei "I got you under my skin" spontan einstimmt. Ja, das geht unter die Haut! Und dann raus in die Berliner Nacht, in die eiskalte Realität.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

ExklusivHintergrund
:Wie das Interview mit Finanzminister Schäuble ablief

Und was passierte danach? Über das Hin und Her von Terminen, intelligentes Wortschlingen und sensible Korrekturschleifen.

Werkstattbericht von Cerstin Gammelin
Jetzt entdecken

Gutscheine: