Nach spektakulärer Notlandung:Polen feiert Piloten als Helden

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Weil das Fahrwerk defekt war, musste der Pilot eines Transatlantikfluges in Warschau auf dem Rumpf des Flugzeuges landen. Alle 231 Passagiere an Bord blieben bei dem spektakulären Manöver unverletzt. Ganz Polen feiert den Piloten als Helden.

Erst Angst und Tränen, dann Jubel und befreites Lachen: Die Passagiere des Transatlantikflugs LO016 aus Newark im US-Staat New Jersey danken "Gott und dem Piloten", dass sie an diesem Mittwoch noch am Leben sind. Mit einer spektakulären Bauchlandung hatte der polnische Flugkapitän Tadeusz Wrona am Dienstag in Warschau eine Boeing 767 mit 231 Passagieren an Bord vor einer Katastrophe bewahrt: Weil sich das Fahrwerk nicht ausklappen ließ, landete der 53-Jährige die Maschine auf dem Rumpf.

Verletzt wurde niemand. "Dem Piloten gebührt ein riesiges Lob, dass er uns sicher runtergebracht hat", sagt der 26-jährige Hubert Waz, der in der havarierten Maschine saß. Andere werden direkt nach der "Meisterleistung", von der polnische Medien am Mittwoch schwärmen, noch deutlicher. "Dieses Bravourstück wird Piloten auf der ganzen Welt zu Schulungszwecken gezeigt werden", kommentieren Luftfahrtexperten das Geschehen.

Und auch der polnische Präsident Bronislaw Komorowski ist sogleich mit persönlichen Glückwünschen zur Stelle. "Im Namen ganz Polens" bedankt er sich "von ganzem Herzen" bei dem Flugkapitän und seiner Besatzung. Nach nur einem Tag ist klar: Das "Wunder von Warschau" hat Polen einen neuen Nationalhelden beschert. Der Pilot selbst erklärte am Mittwoch, er habe große Erleichterung empfunden, als er hörte, dass alle Passagiere in Sicherheit seien. Präsident Komorowski berichtet, Wrona habe im Telefongespräch das Hauptverdienst den Stewardessen und vor allem den Passagieren zugewiesen. Die Fluggäste hätten "in dieser äußerst schwierigen Situation effektiv mitgearbeitet", zitiert der Staatschef den Piloten.

Sanfte Landung ganz ohne Fahrwerk

Wrona sei ein "sehr ruhiger und beherrschter Mensch mit eisernen Nerven", beschreibt ein Pilotenkollege am Mittwoch die Vorzüge des "Helden von Warschau". Freunde nennen ihn ungewöhnlich bescheiden. Luftfahrtexperten verweisen vor allem auf Wronas langjährige Erfahrung als Segelflugpilot. Dies habe ihm die Landung auf dem Rumpf sicher erleichtert.

Tatsächlich wirkte das Manöver am Dienstagnachmittag wie hundertfach einstudiert. Begleitet von Abfangjägern der Luftwaffe kreiste die Boeing mehr als eine Stunde lang über Warschau. Während sich die Rettungskräfte am Boden auf den Ernstfall vorbereiteten, ließ der Pilot fast den gesamten Treibstoff ab, um die Explosionsgefahr zu minimieren.

Anschließend setzte Wrona zur Landung an, wobei er die Maschine möglichst waagerecht hielt. Unter Funkenflug schlitterte die Boeing schließlich über die Piste - und zwar so sanft, dass ein Passagier anschließend kurzzeitig glaubte, doch mit Fahrwerk gelandet zu sein. Warum die Räder nicht ausgefahren werden konnten, soll eine Untersuchungskommission klären. Wichtiger als das Wissen über die Unglückursache ist für die polnische Luftfahrt aber wohl die Erkenntnis: "Unsere Leute können es doch!" Nach dem Flugzeugunglück von Smolensk, bei dem 2010 Präsident Lech Kaczynski und 95 weitere ranghohe Vertreter der polnischen Nation ums Leben kamen, hatte es Vorwürfe gehagelt.

Die Kritiker nahmen zwar vor allem die Zustände beim Militär ins Visier und nicht die zivile Luftfahrt. Dennoch ist an diesem Mittwoch in Polen zu spüren: Die Meisterleistung von Wrona ist Balsam für ein angekratztes Selbstbewusstsein. "Hier hat das System funktioniert", sagt Präsident Komorowski und fügt hinzu: "Ein effektives System mit perfekt ineinandergreifenden Prozeduren." Ein Kommentator der Zeitung Rzeczpospolita schreibt: "Wir haben selten Grund, auf den polnischen Staat stolz zu sein. In der Regel erwarten wir eher das Schlimmste. So war es auch diesmal." Doch alle Kritiker seien von diesem "Wunder des Professionalismus" eines Besseren belehrt worden.

Andere Berichterstatter gehen noch weiter und vergleichen die Warschauer Bauchlandung mit der Wasserlandung auf dem New Yorker Hudson River 2009. Damals war ein Airbus mit einem Vogelschwarm kollidiert und musste auf dem Fluss aufsetzen. Ganz ohne jenes Chaos, das der Kommentator der Rzeczpospolita befürchtet hatte, ging es am Ende allerdings doch nicht. Da der Flughafen in Warschau wegen der Aufräumarbeiten noch bis Donnerstag geschlossen bleiben muss, kam es am Mittwoch zu erheblichen Behinderungen im Luftverkehr. Viele der für Langstreckenflüge vorgesehenen Ausweich-Airports konnten das Verkehrsaufkommen wegen dichten Nebels nicht bewältigen. Allein die polnische Fluglinie LOT musste rund 60 Flüge streichen.

© sueddeutsche.de/dapd/Hans Schwartz/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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