Süddeutsche Zeitung

Nach Sewol-Unglück:Wo war die Präsidentin?

Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye war nach dem tödlichen Fährunglück der "Sewol" stundenlang verschwunden. Die örtliche Presse spekuliert, wo sie sich aufhielt und streut heikle Gerüchte.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Die Südkoreaner wollen endlich wissen, was Präsidentin Park Geun Hye am Tag der Sewol-Katastrophe während der ersten sieben Stunden gemacht hat. Sie war nach dem Schiffsunglück im April erst am Nachmittag im Katastrophenzentrum aufgetaucht. Zuvor wurde sie nicht gesehen. Fragen der koreanischen Presse ist das Blaue Haus, ihr Amtssitz, bisher ausgewichen. Ihr Stabschef Kim Ki Choon sagte vor einer Parlaments-Kommission, er wisse nicht, wo seine Chefin war.

Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Seoul den Journalisten Tatsuya Kato schon zweimal zum Verhör einbestellt. Er hat in einem Artikel unterstellt, man wisse, wo die Präsidentin am 16. April war - und mit wem. Der Seoul-Korrespondent von Sankei, der sechstgrößten Tageszeitung Japans, einer strammen Rechtsaußen-Postille, griff in einem Online-Beitrag auf, was man in Seoul schon länger hört. Demnach hätte sich die 60-Jährige, die nie verheiratet war und über deren Privatleben nichts bekannt ist, heimlich und sehr zurückgezogen mit einem verheirateten Mann getroffen. Kato nennt sogar einen Namen.

Bangen um die Pressefreiheit

Sankei ist für viele Südkoreaner ein rotes Tuch. Die Zeitung verleugnet Gräuel der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg, wie die Versklavung von Koreanerinnen in Feldbordellen. Doch jetzt werden in Seoul von links und rechts Stimmen laut, die sich zwar explizit von dem Blatt distanzieren, aber Stellung für Kato beziehen: Sie fürchten um Südkoreas Pressefreiheit und wollen wissen, wo die Präsidentin war.

Auch ein Kolumnist von Chosun Ilbo, der größten Tageszeitung Südkoreas, kolportiert das Gerücht eines heimlichen Treffens. Allerdings ist auch dieses Blatt eine zweifelhafte Quelle für solche Unterstellungen. Vor einem Jahr warf es dem damaligen obersten Staatsanwalt Chae Dong Wook vor, er habe heimlich ein außereheliches Kind. Chae leitete damals die Untersuchung wegen Manipulationen der Wahl von Park zur Präsidentin. Der Chosun-Bericht zwang ihn zum Rücktritt. Wie das Blaue Haus später zugeben musste, hatte das Blatt den Tipp für die Geschichte ausgerechnet aus der Präsidialverwaltung bekommen.

Das Blaue Haus zog sich mit der Behauptung aus der Affäre, der Tippgeber habe "aus eigener Initiative und ohne Wissen seiner Vorgesetzten gehandelt". Chaes Nachfolger klagte schließlich zwei kleine Geheimdienstoffiziere an, sie hätten den Wahlkampf manipuliert - natürlich "aus eigener Initiative und ohne Wissen". Die Präsidentin selbst ging nie auf die Frage ein, wo sie am 16. April war. An ihrer Stelle antwortete der Abgeordnete Cho Won Jin. Er ist ihr Parteikollege und Sekretär der Kommission, die die Schlampereien untersuchen sollte, die zum Sewol-Schiffsunglück mit 304 Toten führte.

Klagen wegen Verleumdung

Die Kommission, so klagt die Opposition, behindere die Aufklärung eher. Cho behauptete, Park sei die ganze Zeit im Blauen Haus gewesen, sie habe 21 schriftliche Meldungen über das Unglück erhalten, aber mit niemandem von Angesicht zu Angesicht gesprochen. Hat sie sich mit jemanden beraten? Gab es Sitzungen? Wie hat sie reagiert? Zu alldem wissen die Südkoreaner nichts. Laut Katos Artikel soll das Blaue Haus un aber rasch gehandelt haben: Es kündigte zivil- und strafrechtliche Klagen wegen Verleumdung der Präsidentin an. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein.

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Quelle:
SZ vom 22.08.2014
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