Süddeutsche Zeitung

Nach Grubenunglück in Wales:Tod unter Tage

Das Swansea Valley in Wales ist eine Bergbauregion, die Menschen dort kennen die Risiken des Berufs, aber auf ein solches Martyrium waren sie nicht vorbereitet: Vier Bergleute waren in ihrer Zeche eingeschlossen worden. Mehr als 30 Stunden hatten die Angehörigen gehofft, doch am Ende konnten alle Männer nur tot geborgen werden.

Christian Zaschke

Vier Bergmänner wurden mehr als 30 Stunden in einem Schacht des Gleision-Bergwerks im Süden von Wales vermisst - alle vier wurden bis zum Freitagabend tot aufgefunden. Davor hatten ihre Angehörigen gehofft, wenn auch auf zunehmend furchtbare Weise: Denn bereits am Freitagmorgen hatten die Rettungskräfte eine Leiche gefunden, diese aber weder bergen noch identifizieren können.

Eine Familie, das war zu diesem Zeitpunkt klar, hatte einen Toten zu beklagen. Doch es war nicht klar, welche. Einer der Helfer fand die brutalen Worte: "Für die Angehörigen ist es wie Russisches Roulette." Die Familien der Bergmänner warteten gemeinsam in einem nahe gelegenen Gemeindezentrum. Am Nachmittag teilten Polizei und Feuerwehr dann mit, man habe die Leiche eines weiteren Bergmanns entdeckt, den man ebenfalls weder bergen noch identifizieren könne. Nun hatten zwei Familien einen Toten zu beklagen.

"Das ist noch schlimmer, als gar nichts zu wissen", sagte Peter Hain, der sichtlich mitgenommene Abgeordnete der Gegend, "es ist eine schreckliche Situation." Und sie wurde noch schrecklicher.

Am späten Nachmittag fanden die Rettungskräfte eine dritte Leiche, die sie wiederum zunächst nicht identifizieren oder bergen konnten. Ein Sprecher der Feuerwehr sagte, dass trotz allem noch Hoffnung bestehe: Die Tatsache, dass man die Toten an verschiedenen Stellen gefunden habe, könne darauf hinweisen, dass die Männer sich getrennt hätten. Das wiederum könne bedeuten, dass der letzte Bergmann sich tiefer in die Mine zurückgezogen habe, wo es offenbar Stollen mit ausreichend Sauerstoff gab.

DIe Menschen kennen die Risiken des Berufs

Am Abend erwies sich auch diese Hoffnung als trügerisch: Eine vierte Leiche wurde gefunden. Dass auch diese zunächst nicht identifiziert werden konnte, spielte keine Rolle mehr. Vier Männer waren im Schacht geblieben. Vier Leichen wurden von den Rettungskräften gefunden.

Das Swansea Valley, in dem die Zeche liegt, ist eine Bergbauregion, die Menschen dort kennen die Risiken des Berufs - und sie standen den Angehörigen bei. Ein örtlicher Bäcker hatte am Freitag Brot und Kuchen ins Gemeindezentrum gebracht, zudem kümmerten sich Seelsorger und Helfer um die Angehörigen der Bergleute.

Am Donnerstagmorgen war Wasser in den Hauptschacht der Zeche gebrochen, zunächst wurden sieben Bergleute vermisst. Zwei konnten sich unverletzt retten, einer liegt im Krankenhaus. Vier Männer blieben im Schacht.

Bereits seit Donnerstagmorgen bestand kein Kontakt mehr zu den Eingeschlossenen. Auch mit spezieller Lausch-Ausrüstung ließ sich kein Lebenszeichen aufspüren. Waren die Rettungskräfte zunächst noch verhalten optimistisch, veränderte sich die Stimmung bald. Als klar war, dass niemand überlebt hatte, sagte der Abgeordnete Hain bewegt: "Das ist ein Stich ins Herz dieser Gemeinschaft."

Das letzte Grubenunglück in Großbritannien liegt 32 Jahre zurück: 1979 starben drei Männer, als es in einem Bergwerk in Lancashire zu einer Methanexplosion kam. Dass in der Zeche im Swansea Valley immerhin kein Methangas gemessen wurde - es hatte den Menschen bis zuletzt Hoffnung gemacht.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2011/fran/moe
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