Nach Freispruch für Knox:Der Richter und seine Lenker

Amanda Knox kenne womöglich die Wahrheit über Meredith Kerchers Tod, spekuliert ein am Verfahren beteiligter Richter öffentlich - und weist den Vorwurf zurück, die Presse habe den Freispruch beeinflusst. Die labt sich unterdessen an Sex-Geschichten aus Knox' Haftzeit.

Die Geschichte von Amanda Knox ist wie gemacht für die Boulevardpresse: Eine junge, vergleichsweise attraktive Angeklagte, eine Liebesgeschichte, ein Mord mit möglicherweise sexuellem Hintergrund. Und so wurden die Prozesse gegen die US-Studentin nicht nur von der Presse begleitet, sondern die Medien inszenierten ein eigenes, paralleles Verfahren, in dem die Akteure - von der Angeklagten bis zum Staatsanwalt - kräftig mitmischten. Es überrascht daher kaum, dass auch nach dem vorläufigen Happy End für die Freigesprochene nach Anknüpfungspunkten für eine Fortsetzung des Dramas gesucht wird.

Amanda Knox

Amanda Knox nach ihrer Ankunft in Seattle: Medienopfer oder Medienprofi?

(Foto: AP)

Tage nach der Entscheidung des Gerichts in Perugia plaudern Richter und Schöffen in der Presse über den Freispruch - obwohl Verteidigung und Anklage in ihren Plädoyers noch heftig über die Rolle der Presse geschimpft hatten. Knox kenne womöglich die Wahrheit und wisse, wer die Britin Meredith Kercher getötet habe, sagte Richter Claudio Pratillo Hellmann in einem Fernsehinterview. Reichlich Stoff für neue Spekulationen.

"Als Vater kann ich den Schmerz der Kerchers nachfühlen", sagt Fabio Angeletti, einer von sechs Schöffen, dem britischen Guardian. "Aber für eine Verurteilung braucht es schlüssige Motive und schlüssige Beweise." Er habe sich auf die Beweislage konzentriert, sagt der Schöffe, und nicht so sehr auf die dramatischen Appelle Knox' geachtet. Richter Hellmann wies ebenso entschieden den Vorwurf zurück, die Berichterstattung in den Medien hätten das Gericht beeinflusst.

Die Presse ist indes nach dem Urteilsspruch eifrig damit beschäftigt, die Geschichte des Justizopfers weiter auszubauen. "Amanda Knox' Sex-Qualen im Gefängnis", titelt die britische Sun ihre Exklusivgeschichte über ein angeblich geheimes Hafttagebuch der Amerikanerin. Von den sexuellen Belästigungen eines Gefängniswärters ist da zu lesen, von nächtlichen "Verhören" über die Vorlieben und Partner der Inhaftierten und davon, dass Knox über das Ergebnis eines - angeblich positiven - HIV-Tests getäuscht worden sei, um sie aus der Reserve zu locken.

"Die Schwierigkeiten für die Richter sowie die Unschuldsvermutung der Angeklagten hätten, sollte man annehmen, ein bisschen Ruhe rund um den Prozess gebraucht", kommentiert die liberale Zeitung La Stampa aus Turin den Medienrummel. "Das, was sich in Perugia rund um den Mordprozess gegen Amanda Knox abgespielt hat, ist Lichtjahre entfernt von dem für ein gerechtes Verfahren erforderlichen Klima."

Ob nachträgliche Spekulationen und krude Sex-Geschichten das Klima bilden, in dem Amanda Knox ihre wiedergewonnene Freiheit genießen kann, ist ebenso anzuzweifeln.

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