Nach Fährunglück vor Südkorea:Überlebende kritisieren zu späte Evakuierung

+++ Kritik an Krisenmanagement wächst +++ Verzweifelte Eltern erheben schwere Vorwürfe +++ Suche nach Vermissten wird fortgesetzt +++ Strömung und schlechte Sicht erschweren Rettungsarbeiten +++ Ursache des Unglücks bleibt unklar +++ 25 Todesopfer bestätigt

  • Kritik an Verantwortlichen wächst
  • Verzweifelte Eltern verärgert über Krisenmanagement
  • Suche nach fast 300 Vermissten geht weiter
  • Starke Strömung und schlechte Sicht erschweren Rettungsarbeiten
  • Rätseln über Unglücksursache
  • 25 Todesopfer offiziell bestätigt

Kritik an Verantwortlichen wächst: Am Tag nach dem Fährunglück vor der südkoreanischen Küste gerät die Besatzung mehr und mehr in die Kritik. Obwohl das Schiff in Schieflage geriet, habe die Brücke zunächst nicht die Evakuierung angeordnet, berichteten südkoreanische Medien. Überlebende berichten, dass sich mehr Passagiere hätten retten können, wenn diese nicht wiederholt angewiesen worden wären, sich nicht von der Stelle zu bewegen, und nicht 30 bis 40 Minuten hätten ausharren müssen. "Bleiben Sie, wo Sie sind. Wenn Sie sich wegbewegen, könnte es gefährlicher werden", wurden Durchsagen zitiert. Hinterfragt wird zudem, warum die meisten Rettungsboote nicht zu Wasser gelassen worden seien. Unter den Angehörigen wächst die Wut auf die Behörden, die erst keine Zahlen liefern konnten und später die Angaben über Vermisste und Gerettete korrigieren mussten. Verzweifelte Väter und Mütter der Jugendlichen an Bord versammelten sich in der Schule oder eilten in die Häfen im Südwesten des Landes. Sie alle hoffen auf Lebenszeichen ihrer Kinder. 325 Teenager einer Oberschule aus Seoul waren zusammen mit Lehrern auf dem Weg von der westlichen Küstenstadt Incheon zur südlichen Ferieninsel Jeju, als das Schiff am Mittwochmorgen in Seenot geriet und einen Notruf absetzte.

Angehörige reagieren aufgebracht auf Entschuldigungen: Der 69-jährige Kapitän Lee soll der Zeitung Korea Times zufolge mit sechs anderen Crew-Mitgliedern von Bord gesprungen sein, noch bevor die Evakuierung begonnen hatte. Gegen ihn wird ermittelt. In einem Fernsehinterview sagte er, es tue ihm sehr leid, er sei zutiefst beschämt. Auch ein Vertreter des Schifffahrtsunternehmen hat Opfern und Angehörigen sein Mitgefühl ausgesprochen und sich entschuldigt. Der Kommandeur der Küstenwache wurde allerdings von Angehörigen ausgebuht. Auch Südkoreas Staatschefin Park sah sich in einer Turnhalle auf der nahe gelegenen Insel Jindo mit der Verzweiflung der Angehörigen konfrontiert. "Was tun Sie, wenn Menschen sterben? Die Zeit läuft davon!", schrie eine Frau. Park versuchte zu beschwichtigen, doch Eltern entgegneten lautstark, sie würden nicht unterrichtet und bekämen Informationen nur häppchenweise. Regierungschef Chung Hong Won war zuvor ebenfalls beschimpft und angerempelt worden.

South Korea ferry sinking

Küstenwache und Rettungsmannschaften an der gesunkenen Fähre, von der nur noch der Bugwulst aus dem Wasser ragt

(Foto: dpa)

Suche nach Überlebenden bislang ohne Erfolg: An der Unglücksstelle suchen die Rettungsmannschaften auch nach Einbruch der Dunkelheit weiter nach Überlebenden. Es werden mehr als 250 Menschen vermisst Nach Berichten der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap beteiligten sich 169 Boote, darunter auch Schiffe der US Navy, und 29 Flugzeuge an der Suche nach Überlebenden auf der Sewol. Washington sei bereit, "jegliche Unterstützung" bereitzustellen, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney. Experten schlossen nicht aus, dass weitere Menschen überlebt haben könnten. Die Chance sei "nicht gleich Null", sagte ein Sprecher der International Maritime Rescue Federation. Allerdings könnten es Menschen bei einer Wassertemperatur von zwölf Grad höchstens zwei bis drei Stunden im Wasser aushalten, bevor die Unterkühlung einsetze, sagte ein Experte dem staatlichen Sender Arirang. Und auch der Sauerstoffgehalt eventueller Luftblasen im Schiff sinke. In den nächsten Tagen soll das gekippte Schiffswrack, das 140 Meter lang ist, mit Kränen stabilisiert werden.

Wetterlage erschwert die Rettungsarbeiten: Die starke Strömung, Wind, Nieselregen und schlechte Sicht erschweren die Arbeiten an der Unglücksstelle. Die Tauchmanöver waren am frühen Nachmittag wegen schlechten Wetters abgebrochen und erst am Abend (Ortszeit) wieder aufgenommen worden. Mehr als 500 Taucher beteiligen sich an den Rettungsaktionen. Die Taucher hätten unter Wasser eine so schlechte Sicht, dass sie sich praktisch nur auf ihr Tastgefühl verlassen könnten, hieß es. Sie horchen nach Klopfzeichen aus dem Bug des Schiffes und versuchen ins Innere vorzudringen - bisher allerdings ohne Erfolg. Derzeit ragt nur noch der Bugwulst aus dem Wasser hervor, das an dieser Stelle etwa 30 bis 40 Meter tief ist.

Wendemanöver als Unglücksursache? Die Ermittlungszentrale der Küstenwache habe mittlerweile den Kapitän und weitere Besatzungsmitglieder befragt, berichtet der Sender KBS. Deren Aussagen ließen vermuten, dass ein ruckartiges Drehen des Schiffes im Zuge einer notwendigen Kursänderung vor der Insel Jindo zu der Katastrophe geführt haben könnte. Noch ist nicht endgültig geklärt, warum das Schiff bei offenbar ruhiger See in Schräglage geraten und gekentert ist. Bislang wurde vermutet, dass es auf einen Felsen gelaufen sein könnte. Auch ein Motorschaden wurde nicht ausgeschlossen. Zudem gibt es Berichte, dass das Schiff von der üblichen Route abgewichen sein soll. Die Theorie, dass das Schiff auf einen Felsen gelaufen sein könnte, wurde von Passagieren gestützt, die einen Knall beziehungsweise ein "pochendes Geräusch" gehört haben wollen, bevor das Schiff gestoppt habe. Der Kapitän Lee Joon Seok sagte jedoch der Zeitung "Dong AIlbo", die Fähre sei "plötzlich gesunken", einen Felsen habe er nicht gerammt.

Nach Fährunglück vor Südkorea: Taucher suchen nach möglichen Überlebenden in dem Schiffswrack.

Taucher suchen nach möglichen Überlebenden in dem Schiffswrack.

(Foto: AFP)

25 Todesopfer, 179 Menschen gerettet: Bisher konnten nach Angaben der südkoreanischen Behörden 179 Menschen gerettet werden. Die Zahl der Toten ist in der Nacht zum Freitag weiter gestiegen. Am frühen Morgen (Ortszeit) hatten Bergungskräfte bereits 25 Leichen aus den Wasser gezogen, wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtet. Bei den Todesopfern handelte es sich unter anderem um einen Lehrer, ein Besatzungsmitglied und vier Schüler, wie die BBC berichtet. Bei dem toten Besatzungsmitglied handelt es sich um die 22-jährige Park Jin Young, die nach Angaben Überlebender den Menschen an Bord geradezu heldenhaft geholfen und sich geweigert habe, eine Rettungsweste für sich in Anspruch zu nehmen oder sich in Sicherheit zu bringen. Über die Identität der übrigen Toten lagen zunächst keine Angaben vor. Dutzende Passagiere wurden verletzt. Die Fähre kann insgesamt etwa 900 Menschen aufnehmen, die Küstenwache spricht von etwa 460 Menschen, die zum Zeitpunkt des Unglücks an Bord waren. Darunter auch mehr als 300 Schüler eines Gymnasiums, die sich auf einem Ausflug befanden.

Linktipps:

Die Ereignisse vom Vortag im Newsblog

Die BBC hat hier SMS von Passagieren des sinkenden Schiffs sowie Berichte von Überlebenden zusammengetragen

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