Explosion auf Ostseefähre:Feuer gelöscht, aber Bordwand schmilzt

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Das Feuer auf der "Lisco Gloria" ist aus. Doch mit der Bergung der havarierten Fähre kann noch nicht begonnen werden.

Das Feuer auf der Ostseefähre Lisco Gloria ist aus. Der Brandherd glimme nur noch, sagte der diensthabende Kommandeur des dänischen Seerettungsdienstes SOK am Sonntagmorgen. "Wir denken, es ist von alleine ausgegangen", sagte der Chef der Rettungszentrale weiter. Nur im Bereich der Heckklappe gebe es noch vereinzelte Flammen, die aber auch immer kleiner werden.

Das Feuer auf 'Lisco Gloria' ist weitgehend eingedämmt - ein Schlepper kühlt das Schiff, dessen Außenwände so stark vom Feuer erhitzt wurden, dass sie schmolzen. (Foto: dapd)

Die Einsatzkräfte seien weiter damit beschäftigt, die bis zu 300 Grad heiße Außenhaut des Schiffes zu kühlen, um ein Auseinanderbrechen zu verhindern. Diese Gefahr war zeitweise durchaus real: Das gewaltige Feuer hat ein Loch in die Außenwand des Schiffes gefressen. Betroffen ist ein etwa acht Quadratmeter großer Bereich an einem Außengang auf der Steuerbordseite (rechts). "Das Metall ist in diesem Bereich abgeschmolzen", erklärte Dirk Reichenbach vom Havariekommando am Sonntag bei einer Fahrt mit Journalisten an den Ankerplatz des Schiffes. "Die Metallkonstruktion im Außenbereich hat massiv gelitten."

Größere Schäden am Unterschiff seien aber nicht zu erkennen. "Die Schlagseite ist nicht so gravierend, dass man mit einem Umkippen rechnen muss", sagte Reichenbach. "Die Situation sieht derzeit stabil aus." Dieser Meinung ist auch der Kommandeur der dänischen Rettungskräfte: "Das Schiff liegt stabil und vor Anker", sagte er. "Es ist keinerlei Öl ausgetreten."

Vier Spezialschiffe seien an der Unglücksstelle, um notfalls einzugreifen. Sobald die Fähre abgekühlt sei, sollten Feuerwehrleute an Bord gehen. Wie lange das dauern könne, sei "unmöglich zu sagen". Anschließend wollen Spezialkräfte mit der Bergung beginnen. Die dänischen Stellen hatten in der Nacht die Gesamteinsatzleitung übernommen, seit die Fähre mit Schlagseite in dänischen Gewässern vor der Insel Langeland vor Anker liegt.

Inzwischen befinden sich noch zwei Passagiere im Krankenhaus. Die meisten der fast 250 Geretteten hätten inzwischen die Heimreise angetreten, sagte der Sprecher der dänischen Reederei DFDS, Gert Jakobsen, am Sonntag.

Das Dilemma der Einsatzkräfte

Löschaktionen von brennenden Schiffen wie der Lisco Gloria sind äußerst kompliziert. Die Einsatzkräfte stehen vor einem Dilemma: Setzen sie viel Löschwasser ein, bekommen sie die Flammen zwar unter Kontrolle - riskieren aber, dass Schiff durch die großen Wassermassen zum Kentern oder gar zum Sinken zu bringen.

Deswegen beschränkten sich die Helfer darauf, den Rumpf der brennenden Fähre von außen zu kühlen. Besonders problematisch wird es laut Havariekommando, wenn ein Schiff von der Besatzung verlassen wurde und alle technischen Systeme ausgefallen sind. Genau das passierte beim Brand der Lisco Gloria - so musste das Havariekommando ein vierköpfiges "Boarding Team" auf dem brennenden Frachter absetzen, um wenigstens den Anker fallen zu lassen. Nach einer zweiten Explosion an Bord schafften die Feuerwehrmänner, das noch immer brennende Schiff mit Schlagseite in dänischen Gewässern zu ankern.

Das "Boarding Team" gehört zu den eigens ausgebildeten Fachkräften, die das Havariekommando für Notfälle wie diesen bereithält. Ähnlich wie speziell ausgerüstete Feuerwehreinheiten in Hamburg, Kiel und Cuxhaven gehören diese Kräfte zum einem Notfallkonzept, das aus den Konsequenzen der Pallas-Katastrophe vor zwölf Jahren in der Deutschen Bucht entwickelt wurde.

Fährunglück in der Ostsee
:Kühlen statt Löschen

Das verheerende Feuer auf der Ostseefähre ist durch den Brand eines Lastwagenaggregats ausgelöst worden - das berichtet ein Zeuge. Noch immer versuchen Einsatzkräfte, die Flammen unter Kontrolle zu bringen.

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Zu dem Konzept gehören Notliegeplätze, zu denen havarierte Schiffe geschleppt werden können. Laut Havariekommando können dies sowohl Buchten als auch Häfen sein, in denen beispielsweise aus dem Wrack austretendes Öl möglichst einfach aufzufangen ist. Im Falle der Lisco Gloria ist zudem das dänische Umweltschiff Marie Miljø vor Ort, um die immer noch an Bord befindlichen 200 Tonnen Öl aufzunehmen, falls es doch ein Leck geben sollte.

Dramatische Rettungsaktion

Die Lisco Gloria war mit mehr als 249 Menschen an Bord in der Nacht zum Samtag vor der schleswig-holsteinischen Insel Fehmarn nach einer Explosion in Flammen aufgegangen. Rettungskräfte schafften es, in einer dramatischen Aktion alle Passagiere und Besatzungsmitglieder von dem brennenden Schiff zu holen. Es gab 28 Verletzte, die meisten erlitten Rauchvergiftungen. 23 von ihnen wurden noch in Krankenhäusern behandelt. Dänische und deutsche Marinehubschrauber flogen drei Verletzte vom Schiff in Krankenhäuser.

Besonders dramatisch war die Rettung eines 14-Jährigen, den Marineflieger aus Kiel von Bord holten, als schon alle anderen Passagiere evakuiert waren. Der Junge hatte im Vorderschiff das Bullauge seiner Kabine eingeschlagen und sich mit Winken bemerkbar gemacht, wie der Pilot Sebastian Steffens nach seiner Rückkehr in Kiel sagte. Rundherum brannte es. "Wir sind dann im Schwebeflug angeflogen und haben ihn mit dem Rettungskorb herausgeholt", schilderte der Hubschrauberpilot. "Es war kalt, er hatte nur eine Unterhose an" und sei mehr als aufgewühlt gewesen, so Steffens "Er hat dann wohl eine Viertelstunde bei unserem Offizier im Arm gelegen."

Die geretteten Passagiere wurden dann von der Fähre Deutschland etwa elf Kilometer nördlich von Fehmarn aufgenommen und am Samstagmorgen nach Kiel gebracht. Nachdem das Innenministerium in Schleswig-Holstein schon am Nachmittag eine vorsätzliche Straftat oder einen Terroranschlag als Ursache ausgeschlossen hatte, wurde am Abend ein Lastwagenaggregat als Ausgangspunkt der Katastrophe genannt.

Ein Besatzungsmitglied habe bei einem Rundgang Rauch an einem Lastwagen festgestellt und zunächst einen eigenen Löschversuch unternommen, sagte der Leiter des Lagezentrums, Joachim Gutt, im NDR-Fernsehen. Als dieser fehlschlug, habe der Mann den Kapitän informiert, der die Rettungsmaßnahmen eingeleitet habe. Die Nähe des Brandherdes zum Tank der Zugmaschine erkläre auch die Explosion.

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