Nach Diebstahl in Offenburg:Rhino-Räuber in Deutschland angeklagt

Mit einem Vorschlaghammer sollen drei Briten ein ausgestopftes Rhinozeros in einem Offenburger Museum enthornt haben. Der Anführer der Bande hat den Raub zwar gestanden, doch ein Schlag gegen die europaweit agierende Nashornmafia ist das noch lange nicht.

Hans Holzhaider

Es war Fastnachtssamstag in Offenburg, und auf den Straßen in der Altstadt war eine Menge los. Im Ritterhausmuseum dagegen war es sehr ruhig. Das vielseitige Heimatmuseum enthält archäologische Fundstücke von der Jungsteinzeit bis zum Mittelalter, eine naturkundliche und geologische Sammlung, eine Ausstellung zur Stadtgeschichte, und im Dachgeschoss die Jagdtrophäensammlung des Ehepaars Hermann und Gretchen Cron.

Nashorn-Hörner aus Offenburger Museum geraubt

Mit einem Vorschlaghammer haben Räuber diesen Tierkopf in einem Offenburger Museum enthornt.

(Foto: dpa)

Der Bierbrauer und die Reederstochter hatten in den 1920er und 1930er Jahren ausgedehnte Jagdexpeditionen in Afrika unternommen, und was sie von dort mitbrachten, vermachte Gretchen Cron nach dem Tod ihres Mannes der Stadt Offenburg: ausgestopfte Löwen, Leoparden, Büffel, einen Elefantenkopf mit gigantischen Stoßzähnen, etliche Präparate nach dem Geschmack der Kolonialzeit - ein Warzenschweingebiss als Zigarettenanzünder, einen Elefantenfuß als Sektkübel, und den Kopf eines Spitzmaulnashorns. Der Kopf wiegt 80 Kilo und hängt vier Meter hoch direkt unter dem Dachgebälk.

Gegen Mittag an diesem 18. Februar kamen dann doch noch zwei Besucher ins Museum: Ein Mann und eine Frau, beide sprachen englisch, sie erkundigten sich nach Antiquitäten. Sie verwickelten die Angestellte an der Kasse in ein Gespräch, ließen sich Prospekte erklären. Ein paar Minuten später kamen noch zwei Männer, kauften ein Ticket und stiegen die Treppen hinauf ins Obergeschoss. Kurze Zeit später kamen sie wieder nach unten und verließen das Museum; gleich darauf verabschiedete sich auch das Paar.

Als die Angestellte sich wieder an die Kasse setzte und auf die Monitore der Überwachungskameras schaute, erschrak sie: Da lag in einem Nebenraum im Obergeschoss der Nashornschädel auf dem Boden - die beiden Hörner fehlten. Neben dem verstümmelten Kopf lag ein Vorschlaghammer.

Täter bei Fahrzeugkontrolle identifiziert

Die Polizei war schnell zur Stelle. Aber die Diebe waren über alle Berge. Von Offenburg sind es nur ein paar Kilometer zur französischen Grenze. Später konnte man ermitteln, dass die vier direkt nach Straßburg fuhren und dort ihre Beute in einem Lagerhaus deponierten.

Die Museumsangestellte lieferte der Polizei hervorragende Personenbeschreibungen. Besonders einer der Täter, ein dunkelhäutiger Mann mit einer Tätowierung am Hals, war ihr aufgefallen. Vier Tage nach dem Diebstahl in Offenburg kontrollierte die Polizei in der Nähe von München ein Auto mit britischem Kennzeichen. Anlass der Kontrolle: Der Fahrer hatte während der Fahrt mit dem Handy telefoniert. Es stellte sich heraus, dass das Auto in England als gestohlen gemeldet war.

30.000 Euro pro Kilo Hornsubstanz

Dann fiel einem Beamten die Ähnlichkeit der drei Insassen mit den Phantombildern aus Offenburg auf. Bei der Durchsuchung fand die Polizei die Quittung für den Kauf des Vorschlaghammers, der zum Abschlagen der Hörner benutzt worden war. Die Frau aus dem Museum erkannte die drei Männer zweifelsfrei wieder, der Richter erließ Haftbefehle. Seitdem sitzen die drei mutmaßlichen Nashorndiebe, 20, 29 und 31 Jahre alt, alle drei britische Staatsbürger, in Untersuchungshaft. In der vergangenen Woche hat die Staatsanwaltschaft Offenburg gegen den 20-Jährigen Anklage wegen schweren Bandendiebstahls erhoben, die beiden anderen Anklagen sollen in den nächsten Tagen folgen.

Zum ersten Mal werden damit, voraussichtlich im Herbst, Nashorndiebe vor einem deutschen Gericht stehen. Der Anführer der Bande habe jetzt ein umfassendes Geständnis abgelegt, sagt Rainer Lienhard von der Offenburger Kriminalpolizei, aber nur hinsichtlich des Diebstahls in Offenburg. Ein Schlag gegen die europaweit agierende Nashornmafia ist das noch nicht. Über die Hintermänner schwieg der Brite sich aus. "Die Fäden laufen in England und Irland zusammen", sagt Lienhard.

Allein seit Anfang 2011 hat Europol in Den Haag 58 vollendete und zwölf versuchte Nashorndiebstähle registriert - von Schweden bis Portugal, von Irland bis Ungarn. Die Festnahme der drei Offenburger Diebe hatte offensichtlich keine abschreckende Wirkung. Erst vor einer Woche schlug die Bande in Bad Säckingen wieder zu.

Hintergrund ist der Schwarzhandel mit der pulverisierten Hornsubstanz, die in Ostasien, insbesondere in Vietnam, als Heilmittel bei Krebs und als Potenzmittel gilt. Dort wird gemahlenes Nashorn buchstäblich mit Gold aufgewogen. Mehr als 30.000 Euro pro Kilo zahlen finanzkräftige Schwarzhändler; die beiden in Offenburg gestohlenen Hörner waren damit um die 200.000 Euro wert.

Das hornlose Nashorn hat Museumsleiter Wolfgang Gall wieder am alten Platz aufhängen lassen.

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